Originaltitel: FILM STARS DON'T DIE IN LIVERPOOL
GB 2017, 105 min
FSK 6
Verleih: Sony
Genre: Drama, Liebe, Biographie
Darsteller: Annette Bening, Jamie Bell, Julie Walters
Regie: Paul McGuigan
Kinostart: 05.04.18
Anno 1981 zehrt Filmdiva Gloria Grahame von vergangenem Ruhm. Die OSCAR-Preisträgerin, Ende 50, fuhr 1974 ihre vierte Ehe gegen die Wand und verschwendet unbestrittenes Talent in oft fauliger Ware à la MAMA’S DIRTY GIRLS oder DAS HAUS MIT DEM FOLTERKELLER. Aber nicht bloß die Karriere verweigert den Dienst: Bevor ein Arsenal künstlicher Hilfsmittel – Perücke, falsche Wimpern, greller Lippenstift – wieder mal Teile abgeplatzten Lacks restaurieren kann, kollabiert Gloria. Wirklich nur Luft im Bauch? Ihr knapp 30 Jahre jüngerer Freund Peter Turner sorgt sich.
Rückblenden rollen nun die Beziehung auf, 1979 das erste Treffen, ein nonperfekter Tanz, prickelnde erotische Anziehung, die Kamera liebkost regelrecht ganz selbstverständliche Nacktheit, man schaut gemeinsam ALIEN im Kino, was Gloria eindeutig mehr Spaß bereitet, der schreckhafte Peter nimmt eher verspannt am Weltraumhorror teil. Apropos Spaß: Den garantieren ungeachtet jeder bereits vorgenommenen Tragikneigung geschliffen funkelnde Pingpong-Dialoge, fast glaubt man an eine Reise zurück gen Zeiten, als Bette Davis oder Mae West bohrend spitze Zungen wetzten.
Von Anfang an sät allerdings der Altersunterschied belastende Zweifel: Sieht Peter darin tatsächlich kein Problem, respektiert er Gloria? Immerhin fällt ihm angesichts ihrer Beichte, die Julia geben zu wollen, lediglich ein ungelenker Hinweis auf deren passendere Amme ein. Und muß andererseits bei Gloria verzweifelter Frischhaltezwang diagnostiziert werden, wie selbst die Mutter andeutet? Irgendwann wächst schließlich trotzdem das Wissen um etwas Echtes; die zu Beginn gesehene, weitaus schlimmere Belastungsprobe folgt sofort. Visuell grandiose Wechsel von lichtdurchfluteten, nostalgischen Erinnerungen zur düsteren Gegenwart weichen gnadenlosen Nahaufnahmen, fokussierend auf die überschattete Partnerschaft ebenso wie Glorias krankheitsgezeichnetes Gesicht.
Letzteres benötigt eine unerschrockene Aktrice ohne egomane Eitelkeit, schreit ergo geradezu nach Annette Bening. Überhaupt die ausnahmslos perfekte Darstellerriege! Sicher könnte man zur versuchten Würdigung schreiben, daß Benings makellose Verkörperung am Herzen rüttelt, Jamie Bell kaum je besser agierte, und BILLY ELLIOT-Partnerin Julie Walters sogar in großgeblümter Oma-Klamottage strahlt. Solche verbalen Qualitätsbescheinigungen substituieren indes nicht das eigene Erleben dessen, was sich hier zwischen zwei Menschen ereignet. Namentlich neckisches Flirren und vielfarbig leuchtende Magie kontra Aneinanderklammern wider das emotionale Ertrinken und auf dem Altar der Endlichkeit dargebrachte Opfer.
Da eine angemessene finale Szene zu finden, erfordert Fingerspitzengefühl. Regisseur Paul McGuigan verfügt über jenen Takt, eine kurze Originalaufnahme bringt das schüchterne Mädchen im Körper einer Leinwandgöttin zum berührenden Vorschein. Schon allein damit ignorierte McGuigan zwar Grahames Wunsch „I Don’t Want Others To Remember The Details, Just The Image.“ Doch er tat es zu ihrem und unserem Glück, denn sonst hätte diese höchst fragile Hommage nie existiert, und das wäre, da wir sie jetzt verinnerlichen durften, ein ernsthafter Verlust gewesen.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...