Wenn die Schwermut Fortschritte macht, spielt sie Tango. Das ist der letzte Tanz vor der Resignation. Den Tommy allerdings schon lange nicht mehr tanzt. Tommy, der Schlagzeuger eines Trios, das trotzig und einsam der so schönen, wie vom Publikum ignorierten Musik des finnischen Tangos frönt, schaut nach einem Konzert vor neun Zuschauern und so ungefähr der doppelten Anzahl Bier, beim Urinieren in den nächtlichen Sternenhimmel und resümiert sein Leben: Bier trinken, pinkeln, Bier trinken, pinkeln É
Kurz darauf setzt Tommy diesem wenig erbaulichen Kreislauf ein Ende, er rast mit einem geklauten Kleintransporter in den Tod. Das ist der Moment, an dem Buket Alakus FINNISCHER TANGO seinen Tanz beginnt. Einen Tanz der kleinen und genauen Bewegungen.
Da ist also dieser Alex, der Akkordeonspieler. Finnischer Tango - das ist sein Leben. Und viel mehr gibt es in dem auch nicht. Keine Eltern, keine Freundin, keine Kohle - und nach Tommys Abgang auch keine Band mehr. Dafür Schulden, Einsamkeit und als Strohhalm nur eine recht asoziale Skrupellosigkeit. Dank dieser klaut Alex einem Rollstuhlfahrer seinen Behindertenausweis, um fortan als vermeintlicher Spastiker in einer WG das betreute Wohnen zu genießen. Und daß Alex gerade dort, unter körperlich und geistig Behinderten, Verantwortung und Zuneigung lernt - gewissermaßen erwachsen wird - das nun, klingt schlimmer, als es ist. Man muß das ja sagen, bei so einem Sujet: FINNISCHER TANGO ist eben weder Pamphlet des sozialpädagogischen Enthusiasmus, noch die doofe, zynische Wir-lachen-auch-über-Krüppel-Nummer. Regisseurin Buket Alakus erzählt eben einfach. Und man weiß ja, gerade im heimischen Kino ist es das Einfache, was besonders schwer fällt.
Desto überraschender ist, wie leicht dieser Tango über die Leinwand tänzelt. Ein hübsches Paar, der knurrige Witz und die lächelnde Schwermut. Und wenn das mal aus dem Tritt gerät, ist das nicht so schlimm - denn was ist schon Perfektion gegen die Leidenschaft und die unaufdringliche Lebensklugheit, mit der hier erzählt wird? Ja, da ist Buket Alakus ein Balanceakt gelungen, der zwar ab und an strauchelt (zu viele Nebenerzählstränge, arg versöhnliches Finale) aber nie abstürzt.
FINNISCHER TANGO ist warmherzig und nie kitschig. Grantig, aber nie herablassend. Voller absurdem Humor und auf herrlich leichte Art schwermütig.
D 2008, 90 min
Verleih: Neue Visionen
Genre: Drama
Darsteller: Christoph Bach, Mira Bartuschek, Fabian Busch, Nele Winkler
Regie: Buket Alakus
Kinostart: 28.08.08
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.