Elegisch kreist die Kamera um noch nicht zu identifizierende Muster, stimmungsvoll begleitet von seltsam entrückter Musik. Das ist kein Einstieg, wie er auch schon mal gern zu Reportagen über die Arbeit asiatischer Kalligraphen verwandt wird, nein, es soll die Geschichte dreier alter Männer folgen. Da wäre Albert, ein alter Seebär, Herbert, der Unternehmer und schließlich Karlmann, der vom Elternhaus her noch etwas wohlhabend zu sein scheint. Was verbindet die drei nun? Ihre Liebe zu Tattoos, zum Tätowieren, zum Anderssein. Irgendwann kreuzten sich ihre Wege, wegen eines recht albernen Streits gerieten sie sich bis heute unversöhnt in die schütteren Haare.
Was will dieser Dokumentarfilm? Den Prozeß der Gesellschaftsfähigkeit eines Berufsstandes und seiner Klienten verfolgen, etwa gleich drei Leben zwischen jeweils 80 und 90 Jahren erzählen, die Risse einer Freundschaft, die so eng eigentlich nicht ist, ergründen? Vermutlich von all dem etwas, und genau deshalb vergeben sich Andrea Schuler und Oliver Ruts eine Menge. Denn auch hier wäre vielleicht weniger, will sagen, einfach konzentriertes Erzählen einer Passion mehr gewesen. So schlawinert sich ihr Film ein bißchen durchs Zeitgeschichtliche, verweilt am Gartenzaun des Persönlichen und schlendert durch das Labyrinth der Melancholie. Mit dem Ergebnis, daß man von manchem gern mehr erfahren hätte und von vielem eigentlich nichts in Erinnerung behalten wird.
Gerade Albert: ohne Spannungsmomente wird er als daueraneckdotierende Ergänzung eingefügt, daß man sich schon fragt, ob die anderen zwei ihn tatsächlich schon so lang kennen. Seine geriatrisch gezeichnete Frau wird mal ins Bild gerückt: da wäre doch was zu erzählen gewesen. Aber lieber lassen die Filmemacher Albert in seinem zahnlosen Holländisch brubbeln, das man ohnehin kaum versteht. Interessanter gerieten da schon die Episoden des erst mit über 60 als schwul geouteten Karlmann, das Wiedersehen mit seinem Sohn und auch die Tätowiershop-Legende von Herbert.
Die Chance, eine gut recherchierte, über die Ambition einer Spielfilmdramaturgie hinausgreifende Dokumentation zu machen, die wurde hier aber leider vertan. Außerdem ist es doch etwas kühn und naiv zu behaupten, daß die Tätowierten dieser Welt so etwas wie familiäre Zusammengehörigkeit empfinden. Der Autor weiß, wovon er spricht.
D 2003, 90 min
Verleih: Timebandits
Genre: Dokumentation, Schwul-Lesbisch
Regie: Andrea Schuler, Oliver Ruts
Kinostart: 14.10.04
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.