Originaltitel: FLORENCE FOSTER JENKINS
GB/F 2016, 110 min
FSK 0
Verleih: Constantin
Genre: Biographie, Tragikomödie, Musik
Darsteller: Meryl Streep, Hugh Grant, Simon Helberg, Rebecca Ferguson, Nina Arianda
Regie: Stephen Frears
Kinostart: 24.11.16
Uneingeweihte hergelesen, es folgen kompakt die wesentlichen Fakten: Florence Foster Jenkins sang zum Wegspringen erbärmlich, hielt sich aber für eine Weltklasse-Sopranistin und konnte diesen Fieberwahn durch ein beträchtliches Erbe finanzieren, von ihrem Gatten St. Clair Bayfield künstlerisch sowie managementtechnisch unterstützt. Sie gab Konzerte, gründete den „Verdi-Club“, geriet wegen ihrer stimmlichen Grausamkeit zur bis heute bewisperten Legende. Steilvorlagen für jede Aktrice, jeden Regisseur. Bei wenig in die Waagschale zu werfenden Talents käme ein Spottbild dabei raus, eine Farce. Träfen Könner aufeinander, was Großes.
Um nun hiesiges Werk einzuordnen, genügt ein Hinweis – Meryl Streep spielt Jenkins. Überflüssig, weiter auszuführen, trotzdem sei’s getan und bewundert, daß Streep den anvertrauten Charakter in ungeahnter Tiefe begreift. Ihre Florence ist so kindlich wie matronig, gleichzeitig mitfühlende Mutterfigur, schnurrende Salonlöwin und verblendet-ausgenutzte Naive, von Einsamkeit zerfressen und trotzdem vorbehaltlos geliebt, emotional energetisch übersprudelnd und physisch vegetierend. Kästner sann einst: „Zehn Frauen möcht’ ich sein“, Streep gelingt das ohne spür-, sicht- oder hörbare Mühe. Ach ja, das Hören betreffend: Man sollte selbstredend ihren Gesang erwähnen. Nicht einfach schlecht dahingeträllert, nein, die Virtuosin erhebt das Desaströse zur Kunst, stößt heisere Bell-Laute aus, erklimmt individuell zurechtgestutzte Tonleitern. Dermaßen grandios, man möchte den Soundtrack kaufen, um die nervigen Nachbarn zu strafen.
Jener Perfektion steht Hugh Grant gegenüber, und er, bislang kaum für Charakterdarstellungen bekannt, liefert die größtmögliche Überraschung. Sein Bayfield bildet nichts weniger als das Gefühlszentrum des Films, Grant porträtiert einen Mann, dessen Unterleib gezwungenermaßen Freigang schätzen mag, was indes der Hingabe zur schrägen Gattin keinen Abbruch tut. Die stärksten Szenen gelingen immer dann, wenn Streep und Grant auf dem Fundament dieser besonderen Beziehung mit intimen, ergreifenden Sätzen, Blicken, Gesten, Berührungen quasi ein Bollwerk unerschütterlicher Zuneigung zaubern. Der Dritte im Bunde heißt schließlich Simon Helberg und verkörpert Jenkins’ nagetierverwandt kichernden, stocksteifen Pianisten McMoon, offensichtlich schwul, ergo zum Verstecken gezwungen, unterschwellig brodelt da Gesellschaftskritik.
Ein Triumvirat, formidabel geführt von Meisterregisseur Stephen Frears. Man mag ihn schelten, angesichts solcher mimischen Hingabe einige kleinere Schwächen übersehen zu haben – so schüttelt die teils rumpelige Dramaturgie das Publikum zwischendrin kräftig durch, oder erlebt eine Extremblonde namens Agnes verblüffend spontane Sinneswandel, Hollywood-Richtlinien gehören eben eingehalten. Daß Jenkins nach Meinung ihrer Freunde an verlachtem, gebrochenem Herzen starb, verschweigt Frears gleichfalls, wie Tim Burtons Schlechter-Künstler-Hommage ED WOOD beschönigt auch er die Wahrheit am Ende ganz entscheidend, das paßt jedoch, weil es beide Male aus Achtung geschah.
Denn die tatsächliche Großtat markieren nicht hinreißendes Szenenbild, superbe Kamera-Arbeit, schöne Kostüme oder berauschende Detailfreude des Ausstatters. Sie manifestiert sich vielmehr darin, schadenfreudige Zynismen zu meiden und hinter Jenkins, der berühmten Katzenmusikerin, sehr unterhaltsam und stets respektvoll Florence, die bislang weitgehend ignorierte Person, aufzuspüren.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...