Als eine Ode an die „humanistische“ Fotografie kann man Maik Reicherts Film über die Fotografenagentur „Ostkreuz“ sehen. So bezeichnet auch eine der letzten verbliebenen Gründungsmitglieder, Ute Mahler, den Ansatz der 20 FotografInnen, die sich unter dem mittlerweile renommierten Namen 1990 zusammenfanden. Berlin, der Osten und seine Geschichte sind die Verortung, unter deren Vorzeichen alles begann. Die sieben Gründungsmitglieder, unter anderen Harald Hauswald, Sybille Bergemann, Ute und Werner Mahler, zählten in der DDR zu den bereits bekannten Fotografen. Mit dem Fall der Mauer mußte eine „Überlebensstrategie“ her, aber auch ein Ort für Gleichgesinnte.
Der persönliche Background, ein DDR-Bürger gewesen zu sein, spielte natürlich eine Rolle bei der Arbeit, und die in der Wendezeit entstandenen Fotos sind ein großer visueller Schatz des Films. Reichert bewegt sich aber nicht nur im Archiv, sondern begleitete „Ostkreuz“ seit 2009 über fünf Jahre auch bei den Entstehungsprozessen neuer Projekte. Da er selbst Fotograf und Filmemacher ist, stellt er die richtigen Fragen, findet Zugang und einen spannenden Blickwinkel, um seine Kollegen „einzufangen.“
Mit dem charismatischen Charme der nun zur Abwechslung vor der Kamera stehenden Protagonisten – vor allem der eines Harald Hausmanns und des Ehepaares Mahler – wird dem Zuschauer die Historie der Agentur vermittelt, aber auch der emotionale Kern, der das Ganze schon immer zusammenhielt: der Wunsch, klassische „soziale Straßenfotografie“ mit „Haltung“ zu betreiben und sich in einer Gruppe freundschaftlich und streitbar über Fotografie auszutauschen. Auch wenn der Fotograf an sich ja eher ein Einzelkämpfer ist. So sind über die Jahre einige gegangen, neue dazugekommen, nur die Probleme der Finanzierung sind unter veränderten Vorzeichen geblieben. Dabei sei die „zunehmende Beschleunigung unserer Zeit“ schlecht für die Fotografie, so Maurice Weiss. Der Fotograf sei kein „Effizienztier.“
Wenn man sich die Fotografien in Maik Reicherts Film betrachtet, die gleichzeitig dokumentierte Zeit, aber auch liebevolle, präzise Momentaufnahmen sind, dann weiß man, daß der vermeintliche Luxus einer durchdachten fotografischen Arbeit nie an Zauber verlieren wird.
D 2015, 89 min
FSK 0
Verleih: GMfilms
Genre: Dokumentation
Regie: Maik Reichert
Kinostart: 21.01.16
[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...