„50 ist schon ganz schön alt. Für Frauen.“ Ein total überflüssiger Erklär-Appendix, denn bekanntlich treiben Männer zu Beginn des fünften Lebensjahrzehnts gerade erst Knospen aus, weswegen ihnen im jugendlichen Saft solche schelmischen Bonmots ohne großes Grübeln einfallen. Ob dafür überhaupt das Hirn bemüht wurde, daran forschen die Gelehrten noch.
Aber skippen wir den Alice-Schwarzer-Gedächtnismodus und wenden uns jenem Kerl zu, aus dessen Mund obiger Knallerspruch zu Boden plumpste, wo er einen intellektuellen Krater hinterließ. Rüdiger heißt dieser Mensch (Selbstbenennung: „Onkel Rüdi“) und ist erstaunlicherweise kein umschwärmter Dichter, sondern Chauffeur, momentan des reichen Ekelpaketes K.O. Schott. Hinzu kommt Liz, ein Nicht-mehr-zukünftiger-Gatte: Er ließ die Braut vorm Altar stehen, muß sich daher ab sofort ihrer nach Blutrache schreienden Familie erwehren und nimmt die zwei Artgenossen als Geiseln. Das Trio füllt den Fahrgastraum mit alltäglicher Ausländerfeindlichkeit, verbalem Silberrückenrevierverteidigungsbrustgekloppe sowie – klar! – Gesprächen über die in ihrer fremdartigen Faszination verstörende, von fern sehnsüchtig beäugte Damenwelt.
Es bleibt unumstößlicher Fakt, daß die folgende Flucht ebenso überflüssige Szenen (Tankstellentoilette) aufweist wie das Drehbuch So-lala-Witze und das Schauspiel Anflüge von Hüftsteife. Normales deutsches Kino halt. Grundsätzlich darf indes trotzdem sicht-, hör- und spürbares Bemühen um Qualität attestiert werden, häufig führt’s sogar zum Erfolg. Unter anderem, weil manches anfänglich lauthals rauskrakeelte Klischee eben nicht, wie teutonisch schenkelklopfend durchaus gängig, auf schnelles Gegröle schielende Wahrheit bleibt, vielmehr ziemlich schnell 180°-Drehungen erfährt, analog zur Figurenzeichnung. Ja, wirklich: Regisseur und Autor Nikolai Müllerschön versucht die komödiantische Hinterfragung wohl aufmerksam beim Stammtisch oder Mädelsabend belauschter Ressentiments beider Geschlechter, wobei das unablässige Trommelfeuer stets die Richtung wechselnd zwischen festgelatschtem Vorurteil und blitzend überspitzt dargebotener Tatsache changiert.
Was im Fazit heißen möchte: Kleine Geschichte, preiswerter Film, ordentliche Ausführung, anständiger Unterhaltungswert – die Attribute hat Jungspund Müllerschön (geboren 1958) auf letztlich zufriedenstellende Weise verteilt.
D 2016, 87 min
FSK 12
Verleih: Camino
Genre: Komödie, Roadmovie
Darsteller: Heiner Lauterbach, Martin Brambach, Blerim Destani, Harry Baer, Stefko Hanushevsky
Stab:
Regie: Nikolai Müllerschön
Drehbuch: Nikolai Müllerschön
Kinostart: 05.05.16
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...