Originaltitel: ESTIU 1993

Spanien 2016, 96 min
FSK 0
Verleih: Grandfilm

Genre: Drama, Erwachsenwerden, Kinderfilm

Darsteller: Laia Artigas, Paula Robles, Bruna Cusí

Regie: Carla Simón

Kinostart: 26.07.18

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Fridas Sommer

Von Tod und Neubeginn

Frida – ein feines, sensibles Gesichtchen mit großen braunen Augen, das von dunklen Locken umrahmt wird. Die 6jährige muß den wohl schwersten Schicksalsschlag verkraften, sie ist zur Waise geworden. Gezwungenermaßen wird sie in ein neues Leben geworfen. Onkel Esteve, Tante Marga und ihre kleine Cousine Anna sollen nun Fridas neue Familie sein. Mit ihnen fährt sie im Sommer 1993 von Barcelona in ein kleines Häuschen auf dem Lande. Die Natur wuchert wild dort, die Zikaden zirpen, Freiheit und Schönheit locken. Frida und Anna spielen den ganzen Tag draußen. Doch die Leichtigkeit des Sommers kann Fridas tiefsitzenden Schmerz allenfalls etwas lindern, aber nicht heilen. Einer Madonnenstatue bringt das Mädchen Zigaretten, die Heilige soll sie ihrer Mutter im Himmel übergeben. In einer anderen Szene kostümiert sich Frida mit Schminke, Federboa und Stiefeln und schlüpft dabei offensichtlich in die Rolle der Verstorbenen.

FRIDAS SOMMER besticht durch seine genau beobachteten Szenen, die ausschließlich Alltagssituationen zeigen. Doch es ist ein Alltag, um den alle Beteiligten angesichts der Situation ringen: Wie geht man mit einem Kind um, das gerade seine Mutter verloren hat? Wie setzt man ihm Grenzen? Wie gibt man im Sicherheit und Liebe? Und wo nimmt man die überhaupt her?

Der Tod ihrer Eltern – der Vater war bereits vor der Mutter gestorben – bringt Frida automatisch in eine Sonderrolle. Die nutzt sie durchaus zu ihrem Vorteil, was irgendwann zu Konflikten mit ihrer neuen Familie führt. Daß ihre Situation sie nicht von Verantwortung entbindet, muß das Mädchen erst lernen. Die Überbesorgtheit der Erwachsenen hilft ihr dabei nicht. Marga und Esteve geben sich so viel Mühe, wie es irgend geht, aber ihre auf so tragische Weise vergrößerte Familie muß sich erst neu finden. Vor allem Marga ringt mit ihrer Rolle als Fridas neue Mutter, hinzu kommen Spannungen in der Beziehung zu den Großeltern des Mädchens. Es ist eine Nagelprobe für alle Beteiligten.

Erst nach und nach kommt zwischen den Zeilen heraus, daß Fridas Eltern an AIDS gestorben sind. Anfang der 90er Jahre hatte Spanien eine der höchsten Infektionsraten in Europa, etwa 21000 Menschen starben an der Krankheit, bevor die antiretroviralen Medikamente zur Verfügung standen. Daß sie selbst infiziert sein könnte, lastet wie ein Stigma auf Frida.

Regisseurin Carla Simón verfilmt in ihrem Spielfilmdebüt ihre eigene Geschichte. Sie tut das mit dem nötigen Abstand und auf eine gänzlich unsentimentale, aber gleichzeitig sehr sensible Art. Dadurch ist ihr wunderbar fotografierter und glänzend besetzter Film im höchsten Maße authentisch. Sie zeigt den Schmerz über den unwiederbringlichen Verlust, aber auch die Stärke und den Mut ihrer jungen Protagonistin. Beides braucht sie, um sich zaghaft auf ihr neues Leben einzulassen. Ihr dabei zuzusehen, geht wahrhaft zu Herzen.

Zwar ist FRIDAS SOMMER kein Kinderfilm im klassischen Sinne, aber durchaus einer, den man mit älteren Kindern anschauen kann. Schließlich setzen auch sie sich mit diesen elementaren Fragen auseinander, meist viel unmittelbarer, als Erwachsene dies tun. Bei aller mitschwingenden Traurigkeit macht der Film Mut, daß der Tod der Eltern nicht nur das Ende, sondern auch einen Neubeginn bedeutet.

[ Dörthe Gromes ]