Originaltitel: FOR SAMA
GB 2019, 104 min
FSK 16
Verleih: Filmperlen
Genre: Dokumentation, Schicksal
Regie: Waad al-Kateab, Edward Watts
Kinostart: 05.03.20
So gefährlich die oft gehörte Behauptung ist, Europa wäre seit 1945 frei von Kriegen, und dies sei ein Erfolg (was war mit dem Balkan?), so heikel ist die Art und Weise, wie man hier zulande der Weltkriegszerstörungen vor über sieben Jahrzehnten gedenkt. In Dresden zum Beispiel reicht das zehrende Gerangel um Deutungshoheiten auf Opfer und Täter zumeist nur für sich selbst und Partnerstädte, die schwerste Schäden und massiv Tote zu beklagen hatten. Dabei stünden allen Bürgern Mahnungen mit aktuellem Bezug gut zu Gesicht. So steil können Tellerrände gar nicht sein, daß sie noch jeden Blick verhindern würden. Stimmt, 2017 ragten drei Busse aus dem syrischen Aleppo hochkant auf dem Dresdner Restaurierungshübsch des Neumarktes. Nur waren die Diskussionen darüber zum Großteil unwürdig. Lag es an Lücken im Wissen? An verhinderter Sensibilität?
Und das Kino? DIE LETZTEN MÄNNER VON ALEPPO über die Aufopferung von Weißhelmen war im selben Jahr ein so erschütternder wie fesselnder, in Deutschland kaum gesehener Dokfilm. FÜR SAMA mutet an, als sei er eine Art zweiter Teil. Möge ihm mehr Resonanz beschieden sein, begleitet vom Respekt für jeden privaten Kinobetreiber, der ihn einsetzt! Das Filmen sei für Regisseurin Waad al-Kateab die Rechtfertigung gewesen, hier zu sein, „in Aleppo, meiner Stadt!“ Und dort zu bleiben, wo „unsere Herzen Wurzeln schlagen wollen.“ Über fünf Jahre lang drehte al-Kateab mit Handy und Kamera im Innenleben einer Menschengemeinschaft. Bis zur Flucht im Winter 2016/17.
Zusammen mit dem britischen Dok-Regisseur Edward Watts entstand – nach unzähligen Berichten al-Kateabs für Channel 4 News – dieses abendfüllende Werk. FÜR SAMA ist wörtlich gemeint. Es ist ein an die Tochter adressierter Brief. Ein Grenzgang voller Liebe und Güte, voller Härte und Wucht. Ein Tagebuch, das zeitlich springt, nichts erklärt, sondern zeigt. Große Momente voll des Glücks, als Waad ihren Hamza, den Krankenhausarzt, heiratet, ein Haus mit Grün im Grau bezieht, Sama sich ankündigt und im Januar 2016 ans Licht Aleppos kommt. In einem Jahr, das die zehrende Belagerung bringen wird, den blutigen Krieg mit Regime, Rebellen, Russen. Rettung? Ein Wort, so zwiespältig wie trügerisch.
FÜR SAMA ist Beweis, wo es keiner Beweise bedarf. Der Film läßt den Atem außen vor und hält im Grunde keiner Beschreibung stand. Nur den eigenen Augen und Ohren.
[ Andreas Körner ]