Originaltitel: KONA FER I STRI

Island 2017, 100 min
FSK 6
Verleih: Pandora

Genre: Drama, Abenteuer, Komödie

Darsteller: Halldóra Geirharðsdóttir, Jóhann Sigurðarson, Davíð Þór Jónsson

Regie: Benedikt Erlingsson

Kinostart: 13.12.18

13 Bewertungen

Gegen den Strom

Und Zenggg!

Hier ist Musike drin, darunter ein ukrainischer Frauenchor und ein Trio mit Akkordeon, Drums, Sousaphon. Aber auch ein ziemlich ungewöhnlicher Klang. Kaum zu beschreiben, dieses Kappen einer Hochspannungsleitung. Es ist ein pfeifendes Zenggg!, das da über Islands Moose zischt.

Es war Halla. Wieder Halla! Gerade ist die 50jährige ein nächstes Mal durch Hügelketten und Ebenen gepirscht, ausgestattet wie eine Kriegerin mit dem unerschütterlichen Gen einer Umweltaktivistin. Halla, die selbst noch keine Mutter ist, weil ihr Adoptionsantrag nur läuft und läuft, nimmt die Erde als Mutter her und wirft sich schützend vor und in deren Schoß. „Bergfrau“ nennt sie sich. Klingt friedlich, ist es aber nicht.

Man könnte meinen, es sei Halla gewesen, die – eine wahre Geschichte – dereinst McDonalds aus Island vertrieben hat. Für GEGEN DEN STROM legt sie sich mit der Regierung und den Chinesen an, die einen Aluminiumdeal aushandeln, der auf natürliche Ressourcen keine Rücksicht nimmt. Hallas Zenggg! ist Sabotage pur, von Wut getrieben und längst von den Behörden verfolgt. Nur ist die Heldin, die wirkt, als sei sie gerade einer Sage entsprungen, viel zu geschickt, um sich erwischen zu lassen. Präpariert und auf jede noch so bedrohliche Situation vorbereitet, kann sie im entscheidenden Moment auf die Hilfe noch der einsamsten Männer der Insel vertrauen. Selbst Drohnen können sie nicht einschüchtern, Halla holt sie einfach vom Himmel runter. Mit Pfeil und Bogen.

Es gibt aber auch ein normales Leben für die Bergfrau. Sie leitet als Musiklehrerin einen Chor in Reykjavik, hat in Ása eine Zwillingsschwester, die Yogalehrerin ist, also im Innern sucht, anstatt draußen für Aufruhr zu sorgen. Die Blutsverwandtschaft der beiden wird eine entscheidende Rolle spielen in Benedikt Erlingssons GEGEN DEN STROM, der so fesch wie galant und gekonnt Genre-Hopping betreibt. Daß Skurrilität für ein isländisches Werk zum Prädikat wird, ist nahezu gesetzt. Wie Erlingsson aber aus Natur- und Abenteuerfilm kommt, um im Drama zu landen, das sich flugs als märchenhafte Komödie mit dem Streifschuß eines Musikfilms häutet, ist faszinierend. Und vergnüglich. Doch auch das ist nach seinem abgedrehten Debüt VON MENSCHEN UND PFERDEN keine Überraschung.

Apropos: Beide Streifen sind fast Zweiteiler. Die Reihenfolge des Sichtens ist dabei völlig egal, denn nicht nur der gemeinsame Geist überlagert die Werke, auch der eine oder andere Schauspieler, sogar eine Figur: Der südländische Tourist ist wieder da! Camillo, der sich einst in einem toten Pferd versteckte, um nicht zu erfrieren, wird diesmal mehrfach aufgebracht, noch bevor er seinen Islandurlaub überhaupt antreten kann. Göttlich!

Hier heißen Hunde „Frau“, werden Handies in Tiefkühlschränke gelegt, um dem geheimdienstlichen Abhören zuvorzukommen. Hier hängt im Hause der Halla ein Bild von Rosa Luxemburg neben dem von Nelson Mandela. Hier alternieren Musiker und Sängerinnen im Bild die bißfeste Kämpferin wie gute griechische Dämonen und so, daß Aki Kaurismäki seine helle Freude haben dürfte. Hier ist Halldóra Geirharðsdóttir in der doppelten Hauptrolle einfach eine Schau!

Wie sagt der Regisseur noch gleich? „Es ist eine Heldinnengeschichte, die in einer Welt spielt, die übersättigt ist mit Geschichten über Helden, die die Welt retten.“ Nix hinzuzufügen!

[ Andreas Körner ]