Im vergangenen Januar gab es 75 Jahre Georg Baselitz zu feiern. Genaugenommen nur 52. Denn der Mann, der einmal Hans-Georg Kern war, Oberlausitzer Kriegskind und später unsozialisierbarer Kunststudent in Berlin-Weißensee, legte sich den Namen erst 1961 zu. Da hatte er schon „rübergemacht“ und damit begonnen, neben seinen Bildern auch die eigene Legende zu gestalten.
Zum Geburtstag viel Film! Etwas Selbstgemachtes also schenkt man einem, der schon alles hat. Ein Atelier am Ammersee. Ein Anwesen an der italienischen Riviera. Einen Giovanni, der dort nach dem Rechten sieht. Einen Koffer in Berlin, einen Fuß in New York, den anderen in Paris. Und nicht zu vergessen eine Ehefrau, die in Mann, Maler und Marke vollständig aufzugehen scheint. Nur den Spitzenplatz in der einschlägigen Weltbestenliste des Kunstbetriebs, den hat Baselitz an einen anderen „alten Sachsen“ verloren, wie er durchaus giftig konstatiert.
Diese Hochsensibilität, die ein Massiv der deutschen Gegenwartskunst für die in der Ferne umherwimmelnden Bewerter und Konkurrenten aufbringt, jene schwelende Angst, in den Augen der Zeitgeister an Höhe zu verlieren – das sind die vielleicht überraschendsten Einblicke, die Evelyn Schels’ Filmporträt gewährt. Einmal abgesehen von der Einsicht, daß wohl nur ein Sachse glauben kann, er habe seinen Dialekt nach all den Jahrzehnten postnationaler Weltläufigkeit abgelegt.
Insgesamt jedoch überwiegt das Erwartbare: Tauchgänge in den Schaffensprozeß, der bei Baselitz vor allem ein Hineinknien ist, auf dem Atelierboden geturnt. Dazu Stationen des Aufstiegs vom Habe- und Fürchtenichts zum arrivierten Großkünstler, bezeugt in Gesprächen und Dokumenten, belegt mit Kamerafahrten in die Baselitzschen Heldenbilder, Überkopfbilder, Negativbilder, allesamt sublimierte Abbildverweigerungen. Umso erstaunlicher ist es, daß Schels Kunst und Leben in fast zwanghafter Beharrlichkeit auseinander ableitet, gerade als seien Gemälde nichts als Bildtagebücher und der Alltag kaum mehr als ikonographischer Echoraum.
Nun, der Künstler widerspricht nicht, schließlich handelt es sich um ein Geschenk. Wie diesem Film überhaupt das Widersprechen fehlt. Es mag daran liegen, daß sich die Dokumentarfilmerin und ihr „Gegenstand“ schon häufiger begegnet und einander vertraut geworden sind. Produziert (und bereits versendet) hat das Bayerische Fernsehen, was das handschmeichlerische Format erklärt. Das teilweise irritierende musikalische Konzept bleibt vorläufig allerdings rätselhaft.
D 2013, 105 min
FSK 0
Verleih: Alamode
Genre: Dokumentation, Biographie
Stab:
Regie: Evelyn Schels
Drehbuch: Evelyn Schels
Kinostart: 11.04.13
[ Sylvia Görke ]