„Deutschland, deine Künstler“. Mit diesem nach Verzweiflung klingenden Stoßseufzer betitelte die ARD eine Reihe von Filmporträts, gewidmet den „jeweils Besten ihres Fachs“, wie das im öffentlich-rechtlichen Überschwang heißt. Gerhard Richter war nicht dabei. Und selbst wenn man ihn gefragt hätte – in der langen Warteschlange von Interessierten haben sich schon ganz andere einen Korb abgeholt. Corinna Belz aber gehört nicht dazu. Ihre Kurzdoku über Richters Glasfenster für den Kölner Dom von 2007 brach wohl das Eis oder ließ doch zumindest hoffen, daß man es auch für länger miteinander aushalten würde. So füllte sich des Künstlers Kölner Atelier, ein großzügiges, spartanisch möbliertes und eigentlich sparsam bevölkertes Areal, zwischen April und September 2009 ganz über die Maßen – mit einer kleinen Filmcrew und einer wachsenden Zahl von neuen großformatigen Abstrakten.
Natürlich kommt die Porträtistin ihren Pflichten nach: ein paar biografische Eckdaten für den gedanklichen Halt, dokumentarische Skizzen von Ausstellungseröffnungen und Pressekonferenzen als Zeugnisse einer immensen Wertschätzung durch den internationalen Kunstbetrieb, Kamerafahrten entlang an Richters Miniaturdokumentation des eigenen Œuvres zur Veranschaulichung der Wandlungen, Brüche, Neuanfänge. Doch weil dazu umfangreiche Texte geschrieben und opulente Bildbände verlegt worden sind, nimmt sich Belz die Freiheit, die konzeptuelle und ästhetische Mitte ihres Films dort zu verorten, wo Bücher und Fotoreproduktionen an ihre Grenzen stoßen: im Prozeß, in der permanenten Veränderung.
Belz’ Interesse gilt der Arbeit an den Bildern, dem Aufbauen und Abtragen von Farbschichten, den Tücken und Widerständen des Materials, den richtigen und falschen Entscheidungen, dem Innehalten und Neuansetzen, dem Wechsel zwischen Nahaufnahme und Totale, dem konzentrierten Heran- und dem prüfenden Zurücktreten – und damit allem, was Gerhard Richter als im Grunde „heimliche Angelegenheit“ beschreibt.
Die Vorstellung von Heimlichkeit paßt zu diesem bald 80jährigen Mann, der sich hier beim (überragend gefilmten und geschnittenen) Ballett mit Leitern und gewaltigen Rakeln ertappen läßt – stets etwas widerwillig und selten zu längeren Erklärungen aufgelegt. „Richter, deine Verschwiegenheit“, mag Belz hin und wieder geseufzt haben. Aber auch im beredten Schweigen ist er offensichtlich einer der Besten.
D 2011, 97 min
FSK 0
Verleih: Piffl
Genre: Dokumentation
Stab:
Regie: Corinna Belz
Drehbuch: Corinna Belz
Kinostart: 08.09.11
[ Sylvia Görke ]