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Giulias Verschwinden

Der geschwänzte Geburtstag oder Dinner For X

„Der Bus ist abgefahren“, sagt der Volksmund, wenn er sich von (Lebens-)Träumen oder anderweitigen Vorhaben verabschiedet. Wohin jedoch Giulias Bus an diesem Abend fährt, ob sie wirklich unsichtbar wird, oder was die alte Dame auf dem Nebenplatz und die Teenies hinter ihr vorhaben, muß sich erst noch herausstellen. Sicher ist: Sie wird heute 50, in Worten FÜNFZIG, ein geschlagenes halbes Jahrhundert, unwiderruflich und durch langjährige Freunde bezeugt. Die haben Giulia eine Feier ausgerichtet, sitzen nun im Restaurant und warten. Doch das Geburtstagskind überlegt es sich anders ...

Christoph Schaub hat einen Film über das Älterwerden gemacht, und Martin Suter hat das Drehbuch dazu geschrieben. Weil man bei diesem Thema um Zahlen nicht herumkommt, darf auch gesagt werden, daß beide die Fünfzig längst überschritten haben und es sichtlich gediegen mögen. Trotzdem (!) ist es eine Komödie, ja ein flottes Konversationsstück geworden – vielleicht das sprichwörtliche Pfeifen im Walde, im heiter-melancholischen Takt der verfliegenden Jahre.

Und da man von zwei reiferen Herren erwarten kann, daß sie selbst flüchtigen Busbekanntschaften Respekt zollen, folgen sie nicht nur Giulia auf ihren Abwegen in eine zarte Romanze, sondern auch den Teenies auf Klauzug durch die Geschäfte und der alten Dame in ein Heim für betreutes Wohnen. Dort läßt es Leonie zu ihrem Achtzigsten richtig krachen und schimpft einen gemischten Chor von der Bühne (sie haßt Chöre, „gemischt oder ungemischt“).

Erzählerisches Herzstück bleibt jedoch Giulias verprellte Geburtstagsgesellschaft, die ins Plaudern kommt: über Laktoseunverträglichkeit und Kraniosakraltherapie, gute und böse Fette, wer bei sich „was hat machen lassen“, und daß die Pasta hier ganz ordentlich sein soll. Zwar werden Höflichkeiten und Bosheiten ganz altersgerecht eher im Sitzen abgefeuert, treffen aber umso effektiver ins Egozentrum einer Generation, die dem Altern auch mit Walking und Jogging nicht entwischen kann.

Durch die Gespräche klingt Martin Suter – als Milieu-Autor für Leute mit den schickeren Wohnungen und den schickeren Problemen, freilich aber auch als eleganter und eloquenter Unterhalter, der Spieler wie Zuschauer prächtig zu amüsieren versteht.

[ Sylvia Görke ]