Noch keine Bewertung

Glück in kleinen Dosen

Bitterböse Satire auf den American Way Of Life

Es ist eine dieser bemüht heiteren Partys, in welche Dean platzt, nachdem er an Mrs. Johnsons Tür geklingelt hat, um ihren Sohn, seinen Freund Troy, zu besuchen. Dieser bewohnt einen separaten Raum, aus dem laute Musik dröhnt, und so verwundert es Dean nicht, daß sein Klopfen überhört wird - er bedient sich einfach des Schlüssels, dessen Versteck er kennt. Was er nur geahnt hat, muß er nun entdecken. Troy hat Selbstmord begangen, sein lebloser Körper hängt an einem Strick von der Zimmerdecke ...

Das Duo Arie Posin (Regie) und Zac Stanford (Buch) setzen hiermit an den Anfang, worauf andere Geschichten hinarbeiten, und was folgt ist dennoch keine Retrospektive. Der Film verzichtet auf Rückblenden, und schon Deans Reaktion erweist sich als ungewöhnlich und lenkt die Handlung diesseitig voran: Er verläßt das Haus und die feiernden Erwachsenen, ohne ein Wort zu verlieren. Als das Geschehene schließlich bekannt wird, gerät das fragile Gleichgewicht von Hillside, einer amerikanischen Vorstadtidylle, in der es längst keine Kommunikation zwischen den Generationen mehr gibt, ins Wanken. So bedingt das Ableben von Troy, der als stadtbekannter Dealer den gesamten Schulcampus versorgte, bei der Jugend erhebliche Sorgen um Nachschub. Deans Vater, ein beunruhigter Psychiater, versorgt seinen Sohn derweil mit Balance-Pillen, genau denselben Antidepressiva, die der Junge unbemerkt schon seit Jahren einwirft, und die Mutter des Toten klappert die Nachbarschaft ab auf der Suche nach einer Erklärung. Drei Mitschüler verfallen schließlich der Idee, daß Dean wisse, wo sich die Vorräte seines toten Freundes befinden und entführen seinen jüngeren Bruder, um ihn zu erpressen. Als klar wird, daß sie das falsche Kind erwischt haben, scheint dies der Zündfunke für das Pulverfaß, das ganz Hillside zum Explodieren bringen könnte ...

Posin und Stanford haben die thematisch und erzählerisch komplexen Handlungsstränge perfekt gemeistert und liefern hier eine bitterböse Satire auf den sogenannten American Way Of Life, die an keiner Stelle ins Straucheln gerät. Kamerastil und Szenenbild setzen ästhetisch feinste Nuancen, und eine hervorragende Darstellerriege vollbringt Höchstleistungen. Einen wenig glücklichen deutschen Verleihtitel und die allzu offensichtlich auf Katharsis bedachte Schlußszene außer Acht gelassen, könnte dieses Debüt durchaus die Überraschung des diesjährigen Kinoherbstes sein.

Originaltitel: THE CHUMBSCRUBBER

USA/D 2005, 100 min
Verleih: 3L

Genre: Erwachsenwerden, Satire

Darsteller: Jamie Bell, Camilla Belle

Regie: Arie Posin

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.