D 2018, 95 min
FSK 12
Verleih: Concorde
Genre: Drama, Erwachsenwerden
Darsteller: Martin Wuttke, Ella Frey, Emilia Bernsdorf, Christian Friedel, Tina Ruland
Regie: Anca Miruna Lazarescu
Kinostart: 07.02.19
Leugnen hieße lügen – die 12jährige Jessica wirkt echt burschikos, ihre Ticks (wie die strikte Trennung guter von schlechten Zahlen) tragen auch nicht viel zur sozialen Akzeptanz bei. Jessica nimmt’s stoisch hin, dennoch haut dieser Arschloch-Spruch direkt in Herz, Kopf und Bauch: „So ’ne Verschwendung, daß die schöne Sabrina stirbt und nicht Du!“ Erst mal durchatmen, den Schmerz wegdrücken und dann heimradeln, zu eben jener Sabrina, der älteren Schwester, schwer lungenkrank, trotzdem oder gerade deswegen eine Kämpferin. Gemeinsam zum gefühlt 45. Mal NIGHT OF THE LIVING DEAD anschauen, ihr aus schrägen Büchern vorlesen. Wenn sie der nächste Anfall schüttelt, Vater Stefan rufen; Mutti ist schon tot, ein Unfall. Hilflos warten, während sich der Rettungswagen verfährt, Sabrina immer schwerer atmet.
Es gehört fraglos Bereitschaft dazu, den auf Letzte-Reihe-Nummer-sicher zusammengezimmerten und ganz laut „Drama!“ rufenden Überbau zu akzeptieren, zumal die respektiven Handlungszahnrädchen nicht jederzeit schlüssig ineinandergreifen wollen. Manchmal kommt’s doch schlicht zu dick und daher unnötig, weil sich wahre Erzählstärke nicht aus stetigem Nachschub an Problemen generiert, sondern kluger, intimer Beobachtung entwächst: zum Beispiel, wie Stefan auf Entdeckung neuer Therapiemethoden hofft – in spätestens zwei bis drei Monaten. Oder ein Standmixer kaum auszuhaltende Emotionen kanalisiert. Solche Augenblicke loten Gefühlsgräben mit unvorstellbarer Fallhöhe aus und lassen Ängste von der Kette, welche konsequent tief verschlossen wurden, da sie sich andernfalls eventuell als Prophezeiungen manifestieren könnten. Der vorhergesagte Tod quasi, um den eh alles Denken kreist.
Zum adäquat aufs Innerste zielenden Transport braucht es lediglich zwei Charakterköpfe: Martin Wuttkes am eigenen Leben vorbeirasender Stefan, das permanent gegen seine Ohnmacht anrennende Vatertier, dessen Schicksal der wiederholte und vielleicht unmöglich ohne Selbstbruch verkraftbare Verlust eines geliebten Menschen ist – ein darstellerisches Lehrstück. Ella Freys Jessica, zwischen pubertären, familiären, schulischen und psychischen Fronten aufgerieben, agiert erstaunlich auf Augenhöhe. Jessicas absurde Idee, Sabrinas Krankheit weiterzureichen (und dem Thema wohl etwas entlastende Schräglage abzutrotzen), bleibt deshalb verzichtbarer Fremdkörper.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...