Mit dem Zeitalter des Western ging auch eine goldene Ära des Hollywoodkinos zu Ende. An der Peripherie der Zivilisation, vor kargen Landschaften, in denen der Mensch verloren und frei zugleich wirkte, ließ sich am besten vom Kampf des Individuums erzählen. Nirgendwo sonst konnte ein Mann mit solcher Überzeugung Sätze sagen wie: Ein Mann muß sein, was er ist. Verkörperte nicht eigentlich der Western das Kino schlechthin?
Wo ist er aber hin, der gute alte Western? Es ist eine schöne Idee, nachzuforschen, was vom Mythos des wilden Westens, von Cowboy-Mentalität und, weil dies alles unbedingt zusammen gehört, vom alten Hollywood geblieben ist. Also machen sich die Dokumentaristen auf in die grandiosen Weiten, die einem auch heute noch wie eine einzige Filmkulisse vorkommen, zu den Originalschauplätzen, sprich den verwaisten Drehorten. Von Stuntmen bevölkerte Western-Städte, das historische Gerichtsgebäude, in dem Billy the Kid Sheriff und Deputy erschoß, Grand Tetons und Monument Valley, Landschaften, die so manchem Filmteam von John Ford bis zu Sergio Leone ihre Dienste anboten und nun Anlaß für einen melancholischen Rückblick auf einzelne Western-Klassiker sind.
Eine Westerngeschichte will der Film damit nicht sein. Er setzt auf unverbindliche Impressionen, Spuren im Hier und Jetzt. Wir sehen einen Sattelmacher, einen alten Indianerdarsteller und immer wieder Männer mit Cowboy-Hüten beim Rodeo oder in Country-Bars. Im hintersten Nevada treffen wir sogar auf die echten Cowboys, aber die Filmemacher interessieren sich mehr für einen Hobbyfotografen, der daneben steht. Lediglich daß das Cowboyleben nicht so ist wie in der Marlboro-Werbung, erfahren wir. Und auch in Punkto Mythos gibt es keinen Erkenntnisgewinn. Der Western, so William A. Fraker, Regisseur von MONTE WALSH, endete mit STAR WARS. Aber warum wurde die berüchtigte "Frontier" ins Weltall verschoben - und später in den Cyber-Space, wie die Medientheoretiker gerne sagen?
Statt in die Tiefe zu gehen, grast der Film seine Stationen ab. Was vom Western bleibt, ist hier vor allem die Sehnsucht nach ihm und allerlei Kauziges.
Originaltitel: GO WEST, YOUNG MAN!
NL 2003, 84 min
Verleih: Flax Film
Genre: Dokumentation, Western
Regie: Peter Delpeut, Mart Dominicus
Kinostart: 24.11.05
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...