D 2010, 99 min
FSK 6
Verleih: Warner
Genre: Biographie, Historie, Drama
Darsteller: Moritz Bleibtreu, Alexander Fehling, Volker Bruch, Burghart Klaußner, Henry Hübchen
Regie: Philipp Stölzl
Kinostart: 14.10.10
Schon seltsam, aber nicht ganz untypisch und vielleicht sogar zwangsläufig: daß die „Nationaldichter“ jeweiliger Nationen in ihrem Werk und Wesen oft so gar nicht dem Bild entsprechen, das diese Nationen darstellen. Am extremsten trifft das wohl auf England und Deutschland zu. Dort ist es Shakespeare, ein Autor, der weit entfernt ist von dem, was man gemeinhin mit britisch kühlem Understatement und englischer Steifheit verbindet. Und hier ist es eben Johann Wolfgang von Goethe, der doch in seinem Dichten und Denken und in seinem aufgeklärten und pragmatischen, gleichwohl sensiblen Habitus nichts gemein zu haben scheint mit einer Nation, die so furchtbar häufig ein Bild verklemmt-aggressiver Dummheit bis hin zur Barbarei bot. Nicht, daß es die Intention von Phillip Stölzls GOETHE! gewesen sein dürfte, diese Kluft noch einmal aufzuzeigen. Aber daß dies wie nebenher noch einmal geschieht, ist einer der vielen Pluspunkte an dieser hübschen Kinophantasie über den „Dichterfürsten.“
Die nun führt in eine Zeit, als der Dichter zwar dichtete, aber vom Fürstenstatus noch lange keine Rede sein konnte. Es ist das Jahr 1772, und Goethes Räuberpistole „Götz von Berlichingen“ wurde gerade von einem Leipziger Verlag abgelehnt. Dazu vergeigt – und zwar mit Pauken und Trompeten – der 22jährige Jurastudent auch noch seine Doktorprüfung an der Universität von Straßburg. Dem Herrn Papa in Frankfurt am Main reicht es mit den Flausen des Juniors. Der wird verbannt ans Reichskammergericht im Provinzkaff Wetzlar. Und trifft hier die taffe Lotte Buff. Der Beginn einer Liebe – die indes tragisch genug verläuft, um Goethe zu seinem großartigen „Die Leiden des jungen Werther“ zu inspirieren.
Ja, man ahnt schon die Philister, die da lavieren werden. Wieder mal Kino, das mit den Fakten jongliert, statt sich ihnen sklavisch zu unterwerfen. Tat ja jüngst schon Oskar Roehler mit seinem JUD SÜSS-Film und bezog Prügel. Nun ist GOETHE! vom Sujet her nicht verfänglich genug für moralische Standpauken über diese Freiheit des pfiffigen Vermengens von Dichtung und Wahrheit. GOETHE! zeigt mit der Unschuld des (gekonnten) Unterhaltungskinos einen prächtigen Kostümfilm, eine stürmische Romanze und eine schwermütige Leichtigkeit – so undeutsch im Habitus, wie es Goethe angemessen ist. Wäre fast schade, wenn sich darüber niemand aufregt.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.