Erster wichtiger Schritt beim Entdecken dieses wirklich gelungenen Dokumentarfilms ist die unwiederbringliche Streichung des Titels aus dem Gedächtnis. Denn dieser Film kann tatsächlich sehr viel mehr, als diesen platten Motivationsschlachtruf zu bebildern. Kraftvoll erzählt er die Geschichte dreier Spitzensportler, die ihre körperlichen Einschränkungen, mit denen sie leben und trainieren, nicht als Behinderung, sondern als Chance betrachten. Michael Hammon, sonst Stammkameramann von Andreas Dresen, bringt hier als Regisseur die Stärke und Dynamik des paralympischen Sports spannend und majestätisch auf die Leinwand.
Die endlose Weite und Macht des Ozeans, der beim Näherkommen den Blick auf eine einsame Schwimmerin freigibt. Das Surren von Rädern, die allein durch Muskelkraft angetrieben über den Asphalt einer Landstraße rasen. Bilder, die Geschwindigkeit und Energie atmen. Dazu Musik, die von Heldentaten berichtet. So beginnt Hammon seinen Film. Und so führt er ihn bis zum Ende. Auf Augenhöhe mit den Protagonisten.
Die Deutsche Kirsten Bruhn ist seit ihrem zehnten Lebensjahr Leistungsschwimmerin. Mit 21 hat sie einen Motorradunfall und ist seitdem querschnittsgelähmt. Als sie im Krankenhaus auf dem Bett liegt und sich nicht bewegen kann, durch die Fenster nur den Himmel sieht, hat sie nur einen Gedanken, nämlich, daß sie am liebsten da oben wäre. Zehn Jahre dauert es, bis sie ins Leben zurückfindet. Heute ist sie mehrfache Goldmedaillengewinnerin im Schwimmen.
Der Australier Kurt Fearnley hatte es da leichter, denn er ist mit seiner Behinderung auf die Welt gekommen. Trotz verkümmerter Beine hatte er nie das Gefühl, irgend etwas nicht machen zu können. Dazu gehörte auch, mit den Brüdern über Zäune zu klettern oder surfen zu gehen. In einer Szene, in der er mit seiner Frau an einem belebten Platz in der Stadt sitzt und spielenden Kindern zuschaut, fängt die Kamera ganz zurückhaltend dann aber doch die Traurigkeit in den Gesichtern der beiden ein. So verwebt der Film verschiedenste Aspekte aus den persönlichen Geschichten der Athleten und ihrer Familien mit den sportlichen Erfolgen.
Höhepunkt des Films und Ziel aller Anstrengungen sind die Paralympics von London 2012. Und wen könnte diese Atmosphäre kalt lassen?! Die Leinwand vibriert geradezu vor Spannung. Mit einem enormen logistischen und technischen Aufwand haben es Hammon und sein Kameramann Marcus Winterbauer, der unter anderem schon den Tour-de-France-Film HÖLLENTOUR fotografiert hat, geschafft, über dieses Fieber des sportlichen Kräftemessens die Temperatur im Zuschauersaal zu erhöhen.
D 2013, 106 min
FSK 0
Verleih: NFP
Genre: Dokumentation, Sport
Regie: Michael Hammon
Kinostart: 28.02.13
[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...