Das mit der Farbgranate, das hätte man doch ahnen können. Davon hat man doch selbst als Laie schon gehört. Da beugt man doch vor, irgendwie, wenn man sich als Kleinganove am Bankraub versucht. So wie Connie, der sich ausgerechnet mit seinem geistig behinderten Bruder Nick auf ein solches Wagnis einläßt. Weil, so meint Connie, das unterm Strich eine sichere Sache ist. Man maskiert sich anständig, schüchtert die Lady am Bankschalter ein, kassiert die Kohle, hüpft in den Fluchtwagen und gut ist. Und tatsächlich: Das hätte klappen können, wäre da eben nicht die Farbgranate, die just bei der rasenden Fahrt durch New York in der Geldtasche explodiert.
Zwei Brüder (Ben und Joshua Safdie) drehen einen Film über zwei Brüder (Connie und Nick). GOOD TIME heißt dieser Film – und der Titel ist reiner Hohn. Weil die Sache mit der Farbgranate, sie ist echt nur der Anfang eines einzigen Desasters. Denn mag Connie auch mit der eingesauten Kohle die Flucht gelingen, so wird doch Bruder Nick von der Polizei geschnappt; landet erst in einer Gefängniszelle, wo der Behinderte sofort zum Opfer der Mithäftlinge wird, um wenig später schwer mißhandelt im Krankenhaus eingeliefert zu werden. Glück im Unglück, denkt sich Connie und macht sich an die Realisierung eines Fluchtplans, der ungefähr so raffiniert ist wie der für den Banküberfall. Aber tatsächlich: Auch das hätte klappen können.
Allerdings bleibt’s beim Konjunktiv. Glück im Unglück? Nix da! Pechsträhne ist angesagt. GOOD TIME nämlich ist ein Thriller-Drama über die Heimtücke des Schicksals, über die so grausam lächerliche wie mitleiderregende Vergeblichkeit menschlichen Tuns. Und GOOD TIME ist ein Film über zwei Brüder, die im Leben kaum mehr Halt haben als aneinander – und auch das aufs Spiel setzen. Und daß das hier nun so dicht und rauh gewebt ist, sich so kratzig echt anfühlt, mag durchaus auch damit zu tun haben, daß ein Brüderpaar Regie führte.
Daß die beiden außerdem ihr Handwerk beherrschen, und Ben Safdie noch die Rolle des Nick übernahm, mag sein übriges getan haben. GOOD TIME ist von einer widerborstigen Spröde und zeugt zugleich von einer Vertrautheit mit diesen Typen, der Stadt, dem Leben, dem sie entspringen, die diesem Film eine wuchtige Unmittelbarkeit verleiht. Nichts ist hier gekünstelt, auch Robert Pattinson nicht, der als Connie fern aller eitlen Manierismen eine schauspielerische Häutung zeigt, die unter die Haut geht.
Originaltitel: GOOD TIME
USA/Luxemburg 2017, 101 min
FSK 12
Verleih: Temperclay
Genre: Thriller, Drama
Darsteller: Robert Pattinson, Ben Safdie, Jennifer Jason Leigh
Regie: Ben Safdie, Joshua Safdie
Kinostart: 02.11.17
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.