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Gordos

Fettes Thema, strauchelnder Balanceakt

Als Daniel Sánchez Arévalo 2006 mit DUNKELBLAUFASTSCHWARZ, diesem stimmungsvollen, mit leichter Melancholie erzählten Familiendrama, debütierte, da waren alle Kritiken voll des Lobes, es ging selbst die Rede von Almodóvars Nachfolge. Man erinnere nur die wunderbar sichere Balance dieses Erstlings! Mit GORDOS nun, dies sei vorweggenommen, gerät der Regisseur ins Straucheln. Die Geschichte um einen Psychologen und seine therapiewillige Kleingruppe Übergewichtiger krankt vielleicht an der Popularität des Themas, mit Sicherheit aber an der Überfülle von Aspekten und Schicksalen, von denen Arévalo erzählen will. Eine Handvoll Betroffener soll hier für die Bandbreite all der Probleme stehen, die mit zu vielen Pfunden einhergehen (können). Um diese zu meistern, zwingt Arévalo seine Charaktere in ein Korsett aus Stereotypen. Die durchweg spielfreudigen Darsteller meistern das souverän, jeder für sich, aber im Ganzen schadet es dem Film, der unentschieden zwischen Komödie und Drama pendelt und sich mehr und mehr von einem vielversprechenden Ansatz entfernt:

Das Übergewicht ist nur eine Metapher, eröffnet Abel am Beginn seiner Gruppe, und eigentlich soll es weniger um den Körper gehen, weniger also um ein Zuviel an Kalorien, als um das, was man außer Süßigkeiten, Pizza und Chips im Alltag so schluckt. Aber ums Körperliche dreht es sich dann doch vorwiegend, und gleich bei der ersten Sitzung müssen sich alle ausziehen: Andrés, den das gefürchtete Erbgut (überwichtige Verwandte sind früh gestorben) in die Therapie getrieben hat, Leonor, die in der Abwesenheit ihres Freundes zugelegt hat und sich vor der Wiederbegegnung fürchtet, und Enrique, einst schlank gehungerter und Diätpillen verkaufender Fernsehmoderator. Außerdem: Ein junges, katholisches Pärchen, sie voller Lebenshunger und er ganz Ablehnung, ob es nun um Sex vor der Ehe geht oder um eine Diät.

Mit Nacktheit und Sex, gepackt in skurrile Szenen, geht es weiter, und die zunächst angedeutete Ursachenforschung bleibt aufs Übliche (Frust, Langeweile, Einsamkeit) reduziert und gerät schließlich ganz ins Hintertreffen. Ein humoriger Tonfall und Absurdes überwiegen. Die als dramatisches Element verklausulierte Dickenphobie des Therapeuten äußert sich schließlich angesichts eines ganz natürlichen Vorgangs und ausgerechnet bei dessen eigener Freundin. Spätestens hier gerät GORDOS gänzlich aus dem Gleichgewicht. Schade.

Originaltitel: GORDOS

Spanien 2009, 110 min
Verleih: Arsenal

Genre: Komödie, Drama, Erotik

Darsteller: Antonio de la Torre, Raúl Arévalo

Regie: Daniel Sánchez Arévalo

Kinostart: 12.08.10

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.