D/CH/Österreich 2000, 100 min
Verleih: Kinowelt

Genre: Biographie, Drama, Liebe

Darsteller: Ulrich Noethen, Heike Makatsch, Jasmin Tabatabai

Regie: Xavier Koller

Kinostart: 16.11.00

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Gripsholm

Tucholskys Sommer der Entscheidung

In die ausgelassene Frivolität der Berliner Bars und Nachtklubs mischt sich Beklemmung, denn das Deutschland der 30er Jahre ist politisch bedenklich nach rechts gerückt. Neues Nationalgefühl und beginnender Antisemitismus bestimmen die Atmosphäre. Tucholskys Chansontexte haben ihn in der nächtlichen Amüsierwelt zum Star gemacht, doch seine Arbeit als kritischer Journalist beschert ihm auch erbitterte Feinde. Also erst mal raus aus Berlin - Urlaub in der schwedischen Provinz. Gemeinsam mit seiner Geliebten Lydia reist er nach Gripsholm, um dort den Sommer zu verbringen. Mit dem Fahrrad erkunden sie die Gegend, machen Ausflüge zu abgelegenen Seen, lieben und necken sich.

Unbeschwert und romantisch läßt Xavier Koller seinen Film beginnen, wie eine zärtliche Liebesgeschichte. Sein Gripsholm ist ein entrückter Ort, sonnig und luxuriös, politisch neutral gewissermaßen. Doch nach und nach schleicht sich das dämmernde deutsche Unheil auch in das idyllische Schloß und macht es zum entscheidenden Wendepunkt. Koller hat Tucholskys Biographie und Motive seines Romans zu einer neuen Geschichte verwoben, die vor dem Hintergrund sonniger Leichtigkeit das Ringen um eine Entscheidung beschreibt - gehen oder bleiben, zurück nach Deutschland oder Leben im Exil. Koller setzt vor allem auf den Kontrast zwischen der inneren Zerrissenheit der Hauptfigur und der Harmonie der Szenerie, in der er Liebe und Lust auf Leben zelebriert. Auf diese Gegensätze lassen sich die beiden Hauptakteure voll und ganz ein, besonders überzeugend Ulrich Noethen als Tucholsky.

Einen anderen Ton wählt Koller in der Darstellung des Berliner Nachtlebens, zeigt es in kurzen Einblendungen und aufgewühlter Farbigkeit. Leichter Mißklang in der insgesamt perfekten Besetzung ist allerdings das hölzerne Spiel von Marcus Thomas als Tucholskys Jugendfreund Karlchen - manchmal ist es schade, daß man im Kino nicht vorspulen kann.

[ Sylvia Görke ]