Würde man zehn Menschen fragen, was sie über Hallam Foe denken, bekäme man wohl zehn wenig schmeichelhafte Antworten. Aber am Ende wären sich alle einig: Hallam ist ein Freak. Tatsächlich fügt sich der Junge nirgends in gängige Verhaltensmuster ein, beobachtet lieber andere Menschen, wühlt sich in ihre Geheimnisse und Sehnsüchte, lebt durch sie, hat praktisch keine eigene Existenz.
Dies macht auch dem Zuschauer die Identifizierung schwerer, bis zum Ende wird man Hallam kaum wirklich verstehen, ihn aber doch mit allen Macken uneingeschränkt ins Herz schließen. Man wird zudem den dunklen, an Psychose grenzenden Schatten auf seiner Seele teilen: er glaubt, die zweite Gattin des Vaters, eine mondäne Karrierefrau namens Verity, habe seine Mutter ermordet. Geradezu obsessiv versucht Hallam, die Täterin zu überführen, läßt sie schließlich bitter büßen – und man fragt sich: wofür eigentlich?! Denn natürlich ergeht sich Verity zwar in der Märchenhexen-Fiesheit einer jeden künstlerisch verwerteten Stiefmutter, doch stecken dahinter Verzweiflung und nicht zuletzt die ohnmächtige Wut auf zwei Kinder, welche sie vom ersten Augenblick an ablehnten, ihr keine Chance gaben. Tatsächlich macht Hallam seinem Nachnamen Foe, also "Feind", alle Ehre, bekämpft misanthropisch jede Zwischenmenschlichkeit. Zumindest, bis er die mental ebenfalls nicht ganz gleichgewichtige Kate kennenlernt. Eine hübsche Frau, welche aber illusionslos durchs Leben taumelt, sich in eine schmierige Affäre mit einem Kollegen geflüchtet hat. Zuneigung wächst ...
Regisseur David Mackenzie tut dabei das einzig Richtige: Er wählt dezente Töne, um seinen universellen Themen Liebe, psychische Versehrtheit, Erwachsenwerden oder Loslassen die Schwere zu nehmen, ohne sie jedoch ins Banale abdriften zu lassen. Kate, Hallam und sogar Verity dürfen unglaublich vielschichtig lachen, leiden, Fehler machen, den Zuschauer vor den Kopf stoßen – und sich so zu echten Charakteren entwickeln, deren Entwicklung man gebannt folgt, die fast schon ein Eigenleben außerhalb der Leinwand führen. Darum verleihen wir HALLAM FOE das verdiente Prädikat: ein Highlight des Filmjahres 2007.
Originaltitel: HALLAM FOE
GB 2007, 95 min
Verleih: Prokino
Genre: Tragikomödie, Erwachsenwerden
Darsteller: Jamie Bell, Sophia Myles, Ciarán Hinds, Claire Forlani
Regie: David Mackenzie
Kinostart: 30.08.07
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...