Die Filmkritik hat ja eh schon alles gesehen, alles beschrieben, in endlose Sphären gelobt und in dunkelste Tiefen gezerrt, und schon deswegen kann man sich wegen eines Filmes wie diesem ganz einfach entspannen, zurücklehnen und über Bewährtes, Bekanntes und leicht Antiquiertes eher schmunzeln als toben. Was anderes wäre denn auch zu erwarten, wenn Diane Keaton mal wieder in die Strickjacke springt, das Baskenmützchen aufsetzt und die Schrulle vom Dienst gibt? Wobei man gleich ergänzen muß, daß sie sich dieses Mal recht zurückhält mit ihrer so ganz eigenen Verbalbibliothek aus all den oft gezückten Ohs, Ahs und Uffs.
Emily ist gestreßt, ziemlich pleite, das Ehrenamt im Kleidungsgeschäft wird ihr durch antiautoritär erzogene Blagen vergällt, in ihrer Dachwohnung tropft es von der Decke, und die Eigentümergemeinschaft des an sich lauschig gelegenen Hauses prophezeit der Witwe eine wenig rosige Zukunft als vertrocknete Aprikose. Und hält natürlich gleich den Bingo für alle Lebenslagen parat, James – Steuerberater, Single und schmierige Nervensäge. Emily hat eher ein Auge auf einen geworfen, der von den Schnöseln des schnieken Viertels vertrieben werden soll: Donald, der Einsiedler, der seit fast 20 Jahren in einem laubenartigen Verschlag mitten in der schönen Parkidylle haust und entsprechend stört. Und da Donald ebenfalls allein lebt, in seiner Unangepaßtheit ähnlich wie Emily immer wieder aneckt, muß man kein Mathe-As sein, um auf die Summe von 1 und 1 zu kommen ...
Klar, HAMPSTEAD PARK erzählt vorhersehbar, ein paar kleine Kanten inklusive, manchmal auch süßlich, aber immer doch mit Charme von Aufruhr, späten Chancen und der Abkehr von Leuten, die für einen selbst doch immer nur das Beste wollen. Der Reiz in diesem wirklich schön geschriebenen Liebesplot liegt trotz aller nicht zu leugnender Gemeinsamkeiten in der Gegensätzlichkeit der Charaktere – da Donald, das aufbrausende Rauhbein, hier Emily, die freundlich dreinblickende Zögernde. Doch gegen Unrecht, Fremdbestimmung und sicher auch für eigene Herzensangelegenheiten steht man zusammen.
Daß über die Arroganz stupiden Geldes schon subtiler erzählt wurde – geschenkt. Darum geht es hier einfach nicht primär – es geht um ein Ende der vergeudeten Zeit, einen behutsamen Neuanfang und das Gehen ungerader Wege. Und da ist ein Dinner unterm Marx-Denkmal wirklich ein guter Anfang ...
Originaltitel: HAMPSTEAD
GB 2017, 97 min
FSK 0
Verleih: Splendid
Genre: Tragikomödie, Liebe
Darsteller: Diane Keaton, Brendan Gleeson
Regie: Joel Hopkins
Kinostart: 24.08.17
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.