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Hannah Arendt

Thesenstück, Biopic und geistesgeschichtlicher Exkurs

Die „Banalität des Bösen“ gehört zu jenen philosophischen Formulierungen, die auch in einem breiteren Bewußtsein verankert sind. Hannah Arendt hat ihn geprägt. Beim Verfolgen des Prozesses gegen Adolf Eichmann in Jerusalem, wo die Philosophin und Publizistin im Auftrag des „The New Yorker“ weilte. Und wo sie in Eichmann die Personifizierung des von jeglicher Diabolik freien Schreibtischtäters vorfand. Ein Durchschnittsmann aus der gesellschaftlichen Mitte. Sachlich und von einer Korrektheit, die einem auch nach Jahrzehnten beim Anblick der bekannten Prozeßbilder neben kaltem Grauen immer auch noch die Galle hochkommen läßt. Zeigt sich doch trefflich, was gerade den deutschen Totalitarismus so grausam effizient machte: eben der willige (Klein-)Bürger als moralfreier „Pflichterfüller“-Brutalo. Indem Arendt das in ihrer heute legendären Artikelserie „Eichmann in Jerusalem“ klar analysierte, ließ sie zugleich aus dem tradierten Begriff des Bösen das Überhöhte, das quasi Metaphysische wie die lauwarme Luft aus einem Luftballon verpuffen. 1963 war das – für die Welt ein Schock erster Güte.

Wie jetzt auch noch einmal Margarethe von Trottas Film HANNAH ARENDT zeigt. Der nun ist weiträumig Thesentheater vor Kamera. Muß man doch leider wieder sagen, von Trotta dramatisiert und bebildert erneut so, als ginge es um eine Produktion fürs Schulfernsehen und nicht fürs Kino. Und doch ist dieser Film tatsächlich keine Zeitvergeudung. Denn abgesehen von einigen in Biederkeit unfreiwillig komischen Rückblicken in Arendts Studentinnen-Jugend samt berühmter Liebesaffäre zu Professor

Heidegger, ist dieses Stück dialektisches Theater im Filmformat von einigen dichten, emotional starken Szenen durchzogen. Denn was Arendts Analyse damals gerade für Juden, für Holocaust-Überlebende bedeutete, ist heute schwer vorstellbar. Dieser Film aber zeigt es: Die Empfindung, die freilich ein Irrtum war, wenn auch ein verständlicher, daß mit der Etikettierung des „Bösen“ als „banal“ zugleich die Opfer, mithin der Holocaust, eine Banalisierung erfahren.

Für Arendts Erkenntnisse waren die Wunden noch zu frisch, das Trauma noch zu nah. Und was heute als profunde Analyse des modernen Totalitarismus gilt, war zum Zeitpunkt des Erscheinens für viele ein Schlag ins Gesicht. Diese komplexe Situation noch einmal differenziert zu skizzieren, ist durchaus ein Reiz dieses Films.

D/F/Luxemburg/Israel 2012, 113 min
FSK 6
Verleih: NFP

Genre: Biographie, Polit, Drama

Darsteller: Barbara Sukowa, Axel Milberg, Janet McTeer, Julia Jentsch, Ulrich Noethen, Michael Degen

Regie: Margarethe von Trotta

Kinostart: 10.01.13

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.