Wie protestiert man gegen eine abwesende Hippiemutter, die in einem schlecht sortierten Ladenlokal die „Aktion Friedensdienste“ für Israel leitet? Man trägt Perlenohrringe, studiert BWL und schafft sich einen Freund an, der einem Seidenunterwäsche und teure Uhren schenkt.
Aber diese „Wiedergutmachungsdeutschenvereinigung“ ist am Ende doch für was gut, denn für den Job, den Hanna nach ihrem Studium fest im Plan hat, zählen nicht nur Bestnoten, sondern auch soziales Engagement. Also erfindet Hanna im Bewerbungsgespräch ein Sommer-Praktikum in einer israelischen Behinderteneinrichtung, denn: „Was mit Juden geht immer!“ Hannas Mutter Uta will ihr das Zeugnis aber nicht so einfach schreiben, sondern besorgt ihr einen Platz. Hier geht die Reise in Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen los, die Julia von Heinz in ihrem erfrischend politisch unkorrekten Film erzählt. Dieser lebt vor allem von klugen und witzigen Dialogen und präzisen Charakterzeichnungen der Figuren, die von Karoline Schuch und Doron Amit lebensecht ausgefüllt werden. Hanna, die zielstrebig und ein wenig herablassend an ihren neuen Job herangeht, trifft auf Itaj, den Gruppenleiter, der Hanna aus der Reserve locken will: „Jetzt gehen Euch wohl die Holocaust-Überlebenden aus, und Ihr müßt Euch auf die Behinderten stürzen?“
Schnell wird Hanna klar, daß sich hier in Israel nichts effektiv abarbeiten läßt. Weder der Umgang mit den Behinderten ist planbar oder erfolgversprechend, noch die Treffen mit „ihrer“ Holocaustüberlebenden Gertraud. Diese öffnet ihr auch langsam die Augen, welchen familiären Hintergrund der Aktionismus von Hannas Mutter hat. Hanna spürt schmerzhaft: Seiner Familie kann man nicht entkommen. Und sollte man das? Alex, ihr zu Hause gebliebener Freund, erkennt die schleichenden Veränderungen, dabei „haben wir doch deine Mutter längst hinter uns gebracht.“ Hanna ist sich da nicht mehr so sicher. Auch nicht darüber, ob sie eigentlich diese Wohnung mit Dachterrasse und Vorzeigeschick will, in der ja doch keiner wohnen wird, wenn sie Karriere machen. Was zählt denn nun?
So ist Julia von Heinz’ Geschichte ein Selbstfindungstrip der gelungenen Art, der sich ehrlich mit den immer noch offenen Fragen der dritten Nachkriegsgeneration auseinandersetzt. Aber auch eine Liebeserklärung an die ungeplante Liebe, die schwierige Akzeptanz der eigenen Wurzeln und das Leben, wie es einem passiert, wenn man sich einfach hineinbegibt.
D 2013, 100 min
FSK 0
Verleih: Zorro
Genre: Drama
Darsteller: Karoline Schuch, Doron Amit, Trystan Pütter, Suzanne von Borsody
Regie: Julia von Heinz
Kinostart: 23.01.14
[ Susanne Schulz ]