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Hardcore

Kino für Konsolen-Autisten

Als Point-Of-View-Shot oder auch First-Person-View bezeichnet man jene Kameraeinstellungen, bei denen Szenen durch die Wahrnehmungsperspektive eines der Handelnden gezeigt werden. Der Zuschauer sieht somit quasi „mit den Augen“ dieser Person, sieht aus deren Position heraus. Hierzulande werden derlei Einstellungen deshalb auch gern als „subjektive“ bezeichnet; wobei man freilich erneut darüber sinnieren könnte, ab wann überhaupt eine Einstellung „subjektiv“ oder „objektiv“ ist und inwiefern generell, um mal wieder Godards altes Diktum zu bemühen, die Kameraeinstellung über die generelle Einstellung des Films, des Regisseurs zu dem, was er zeigt, etwas erzählt.

Um zu HARDCORE zu kommen. Ein Film, der sich vor allem anderen derart prahlerisch in die Brust wirft, als wäre er einem gemeinsamen Kreativschub von Wladimir Putin und Donald Trump entwachsen. Was man hier mal so sagen darf, weil der Streifen eine russisch-amerikanische Koproduktion ist. Unter der Ägide Timur Bekmambetovs, den man als eine Art Bombast-Rasputin des Action-Kinos beschreiben kann, durfte Regisseur Ilya Naishuller ein Debüt hinlegen, bei dem die Kritik zum Teil schon in einen Begeisterungssingsang verfiel, der irgendwie an den von Ego-Shooter-Nerds erinnert, die sich zum Höchstlevel geballert haben.

Was gut paßt. Als die erste „leinwandsprengende First-Person-Experience der Filmgeschichte“ beworben, zeigt HARDCORE kaum mehr, als aus eben rigoros „subjektiver“ Perspektive die mannigfaltigen Möglichkeiten des Massakrierens. Aus der Sicht eines kybernetisch aufgemotzten Kämpfers tobt man sich im Affenzahn durch das Moskau irgendeiner nahen, düsteren Zukunft und durch Heerscharen an Schurken, die hier indes weitgehend die Lemminge sind, welche auf mehr oder weniger originelle, dafür immer rabiate Art und mit Liebe zum Splatter-Detail über den Jordan geschickt werden. Irgendein Handlungsvehikel gibt es auch (entführte Geliebte, größenwahnsinnige Wissenschaft, Pipapo), dazu gern Techno-Gewummer, eine Knallcharge von Schurken und einen Kurzauftritt von Tim Roth.

Die Einstellung ist die Einstellung. Und die von HARDCORE ist die des Konsolen-Autisten, dem Sachen wie Plot, Figurenzeichnung und Spannungsaufbau vorrangig Mumpitz aus analogen Zeiten sind. Das ist weder schlimm noch leinwandsprengend, sondern lediglich etwas stupide. Freilich: nur eine subjektive Einstellung.

Originaltitel: HARDCORE HENRY

USA/Rußland 2015, 90 min
FSK 18
Verleih: Capelight

Genre: Action

Darsteller: Haley Bennett, Sharlto Copley, Danila Kozlovsky, Tim Roth

Regie: Ilya Naishuller

Kinostart: 14.04.16

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.