Sonja Heiss hat einen großartig sentimentalen und ganz warmherzigen Film über ihre „Crowd“ gemacht. Und die wird sich erkennen im Kinosessel: am heroischen Beziehungsanspruch, den Hedi und ihr Mann Uli versuchen zu leben, am Stil ihrer liebevoll durchmixten Einrichtung, dem genau im richtigen Maße abgewrackten Auto, das sie fahren und ihrem Look. Einer Schönheit, die hip und doch nicht zu glatt ist – man möchte dieses Paar sein, wenn man sich in ihm spiegeln kann. Hedi ist witzig, leicht verspult und freundlich zu Mitmenschen, auch wenn es sich um biestige Kollegen handelt. Sie springt leichtlebig durch ihren Alltag, und traurige Momente scheinen trotzdem zu schweben.
Diese überhöhte Ausschmückung eines eigentlich ganz schnöden Lebens, welche die Filmemacherin mit viel Gespür für den modernen romantischen Moment inszeniert, ist schön zu sehen und weitet das Herz. Da sind Raum und viel Phantasie für Finn, den kleinen Sohn, da sind Interesse und Anziehung zwischen den Eltern, über allem liegt noch eine Verheißung, auf das, was noch Tolles kommen könnte im Leben. Aber dann stürzt Hedi ab. Ganz plötzlich ist da nur noch Panik in ihr. Und es steht alles auf dem Spiel. Heiss zeichnet uns mit gut gesetzten Strichen vor, wie schnell selbst ein vollendet gedachtes Konzept zur wirren Skizze werden kann.
Die Balance ist aufgehoben, die harte Realität des Miteinanderseins in Zeiten der Krise angebrochen. Und auch wenn sich Hedi und Uli um Haltung, Anstand und Respekt bemühen, kommt den beiden genau das in die Quere, auf dem ihre Beziehung fußt: ihre Individualität, ihre Eigenständigkeit. Die schreit schneller, als ein halbes Jahr um ist, vor allem bei Uli Alarm. Da gab es doch seinen Traum von einem Job in Afrika. Und echte (gesunde) Zuwendung vermag Hedi, mit all’ den Drogen im Kopf, grad’ auch nicht zu geben. Wie lange ist Uli in der Lage, sich zu opfern und zu kümmern, ohne zu wissen, wann genau wieder etwas zurückkommen wird? Heiss gibt niemandem die Schuld und die beiden trotzdem nicht auf. Aber es steht die Erkenntnis im Raum, wie fragil vermeintlich enge Bindungen in unserer Zeit sind. Die eben größtenteils auf subtilen Erwartungen und hochkomplexen Selbstbildnissen beruhen und nicht auf moralischer Verpflichtung. Wie stehen wir morgen da und mit wem an der Seite? Ist da noch Verlaß auf jemanden außerhalb seiner selbst? Und wer spricht von Liebe?
D 2015, 92 min
FSK 12
Verleih: Pandora
Genre: Drama, Komödie
Darsteller: Laura Tonke, Hans Löw, Leander Nitsche
Regie: Sonja Heiss
Kinostart: 07.05.15
[ Susanne Schulz ]