Wenn im Kino gejodelt wird, ist das normalerweise ein ernstzunehmendes Warnzeichen für seichte Heimatfilme im Musikantenstadl-Dirndl-Lederhosen-Stil. Stefan Schwietert stellt in seinem Dokumentarfilm nun drei Schweizer Musiker vor, die eindrücklich beweisen, daß nicht jeder, der jodelt, seinen guten Geschmack vorher an den Nagel gehängt hat. Für die ausgeflippte Jazz-Performerin Erika Stucky, den bodenständigen Naturjodler Noldi Alder und den Oberton-Klang-akrobaten Christian Zehnder ist Jodeln Teil ihres Lebens und ihrer Kunst. Sie alle haben einen langen Weg und einige innere Kämpfe hinter sich, bis sie auf der Suche nach ihrer eigenen Stimme das Jodeln als Teil ihrer musikalischen Wurzeln akzeptiert haben.
Wenn Christian Zehnder ganz selbstverständlich mit mongolischen Obertonsängern in der Steppe zu jodeln beginnt, wird deutlich, wie weltumspannend jede Musik - sei sie noch so speziell - wirken kann. Zehnder erzählt, daß er mit dem Jodeln begann, um den gewaltigen Gipfeln der Alpen etwas entgegen zu setzen. Heute reicht sein Klangkosmos weit über das hinaus, was man Gesang nennen würde: er haucht, juchzt, schreit, vermischt Jodel mit Obertongesang und Scatvocals und schafft mit dem urtümlichsten aller Instrumente - der Stimme - eine Musik, die sowohl fein als auch anarchisch ist und ohne Umweg auf Bauch und Beine zielt.
Ganz anders die in Amerika geborene Schweizerin Erika Stucky, die sprachlich und musikalisch zwischen beiden Welten pendelt und das Jodeln nahtlos in ihre Performances und Jazz-Songs einbaut. Das Ergebnis ist ein äußerst humorvolles musikalisches Kauderwelsch, gewürzt mit bissigen Bemerkungen über die biedere Schweiz und nicht tot zu kriegenden amerikanischen Größenwahn. Der letzte im Bunde ist der ehemalige Kinderstar der schweizerischen Volksmusik, Noldi Alder. Als Junge reiste er mit seiner Familie unter dem Signet "Alder Buebe" um die Welt - ihre Platten wurden weltweit zum Inbegriff der traditionellen Volksmusik. Später wurde ihm diese musikalische Welt zu klein, und er begann, die Schweizer Volksmusik auf atemberaubende Weise zu erneuern.
Stefan Schwietert porträtiert in seinem wunderschönen Film nicht nur drei aufregende Musiker, er zeigt auch die Schweiz als kleines Land auf der Suche nach seinem eigenen Platz zwischen Tradition, Heimatverbundenheit und Weltoffenheit. Aber Vorsicht: HEIMATKLÄNGE hat Nebenwirkungen. Es ist nicht auszuschließen, daß man sich auf dem Nachhauseweg beim leisen Juchzen ertappt.
CH/D 2007, 81 min
Verleih: Ventura
Genre: Dokumentation, Musik
Regie: Stefan Schwietert
Kinostart: 06.12.07
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.