D 2011, 99 min
FSK 6
Verleih: Constantin
Genre: Tragikomödie, Liebe
Darsteller: Max Riemelt, Jessica Schwarz, Anna Fischer, Elyas M’Barek
Regie: Marco Petry
Kinostart: 06.09.12
Nee, das geht nicht! Mit Anmachsprüchen, die bereits unsere Uromas gequälten Blickes durchgewunken haben, scheitern Tim und Can bei der Frauenwelt. Da keimt folgender Plan: Der eine erzählt dem Objekt der Begierde, der andere sei todkrank, die Dame verfällt in Mitleid und gibt sich für eine Nacht her. Ja, das klappt. Bis Can die süße Marie eruiert. Selbige reagiert unerwartet emotional. Kein Wunder, hat sie zu Hause doch ihre Schwester Edda sitzen, welche tatsächlich bald stirbt. Krebs. Dem in Kürze verliebten Tim bleibt nichts übrig, als weiter den Tumorpatienten zu spielen – obwohl Edda a) den Schwindel schnell enttarnt, b) bezweifelt, daß Tim zu Marie passen könnte und c) ihn zwingt, an Kamikaze-Aktionen teilzunehmen.
Nun wandert die Geschichte schon per se auf schmalem Grat, die Sachlage verschärft sich durch humoristische Szenen wie Eddas Abrechnung mit dem Ex oder ihrer Chefin. Doch der befürchtete Absturz bleibt aus: Die Regie schafft es, konzentrierte Wege in der Mitte zwischen Drama und Komödie zu finden, selbst abseits mancher dann doch in zu stringenten Bahnen laufenden Drehbuchvorgaben und Figurenzeichnungen – klar ist Marie herzensgute Kindertherapeutin, logisch bietet die Liebesgeschichte nix Neues. Dafür entschädigen wiederum druckreife Dialogzeilen – so antwortet Edda zum Beispiel einem Ordnungshüter: „In sechs Monaten? Da bin ich leider verhindert!“
Eine handfeste Überraschung gibt’s außerdem an der Schauspielerfront, und die heißt Jessica Schwarz. Zwar zeigt sich die Aktrice in ihrer emotionalsten Szene so, wie wir sie kennen, eben überfordert, aber sonst arbeitet Schwarz das kompetente Porträt einer ihre Ängste hinter Zynismen versteckenden Frau heraus, welche nur eins will – leben. An ihr liegt es außerdem, daß eine zusätzlich schwelende Frage hell auflodert: Drängt sich Tim zwischen die Schwestern? Schwarz agiert potentiell gekünstelte Entwicklungen einfach weg, bis sie am Ende in einer erstaunlich zurückhaltenden Szene den Film verläßt. Und trotzdem sein Zentrum bleibt. Natürlich muß der übliche Konflikt her, aber wie Edda ihn aus dem Jenseits beseitigt, das ist nicht allein für deutsche Kinoverhältnisse stark gelöst.
Und manchmal reicht gar eine einzige tolle Idee, um hoffnungsvollen Herzens aus dem Saal zu laufen. Flackernde Leuchtreklamen sieht man danach plötzlich mit ganz anderen Augen ...
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...