Das gute, alte ungeschriebene Gesetz: Sieh’ auf die ersten zehn Minuten, und Du weißt, ob aus dem Film etwas wird. Oder eben nicht. HELI zieht sofort etwas Magisches auf sich. Fürwahr, nichts Schönes! Nicht in Mexiko, wo die Menschen im Kino bestimmt auch lachen, doch als Exportgut taugt der fast ausweglose, um Hoffnung sich verzehrende Alltag der Menschen noch am besten. Das entbehrt nicht einer bitteren Tragik, doch anderen Ländern ergeht es nicht anders. Wann war die letzte Komödie aus China zu sehen, aus Südkorea, Ungarn?
HELI ist der Name des Helden, der das Gesicht und die Statur eines 17jährigen hat, aber schon Vater ist. Regisseur Amat Escalante umreißt sein Umfeld anhand einer Bürgerumfrage. Volkszählende klopfen am schlichten Heim, Heli berichtet korrekt, daß hier fünf Personen in zwei Zimmern leben, er, seine Frau, das Baby, die 12jährige Schwester Estela und der Vater. Fließend Wasser? Ja. Bildung? Realschule. Das war’s dann aber auch schon.
Darauf, daß sich der diesjährige mexikanische OSCAR-Beitrag und Gewinner der Regie-Palme von Cannes 2013 nicht beim Betrachten einer privaten Konstellation aufhalten würde, verweist sein starker Beginn: Ein dreckiges blutiges Bein auf der Ladefläche eines Lieferwagens in ratternder Fahrt. Wenig später baumelt ein toter Körper von einer Brücke. HELI wird zur Mitte darauf zurückkommen. Schon hier sind brillante Kamerafahrten zu sehen, seltsam kippende Einstellungen, stehende auch, in denen nur der Ton auf Handlung verweist. Das gleicht einem Sog der unmißverständlichen Art.
Heli arbeitet in einer Autofabrik und hofft darauf, daß seine Frau bald wieder mit ihm schläft. Das Leben trudelt dahin. Bis er ohne eigenes Verschulden in so gut wie alle Verwerfungen gerät, die die mexikanische Gesellschaft zum (Aus-)Glühen bringt. Denn Estela verspricht sich zwischen kindlicher Naivität und frühreifem Drang Beto, einem strammen älteren Jungen, der bei einer Art Elitepolizei ausgebildet wird, die illegale Drogen und Markengüter aufbringt. Doch so klar, wie es scheint, ist nichts in Mexiko. Als Beto Kokain auf Helis Hausdach versteckt und auffliegt, ist endgültig klar, daß es hier nichts mehr zu lachen geben wird. Nur ein wenig Hoffnung.
HELI ist besonderes Kino aus dem nicht-US-amerikanischen Filmwirtschaftsgebiet. Von vor der Haustür der Vereinigten Staaten, aber angenehm weit genug davon entfernt.
Originaltitel: HELI
Mexiko/NL/D/F 2013, 105 min
Verleih: Temperclay
Genre: Drama
Darsteller: Armado Espitia, Andrea Vergara, Linda Gonzales, Juan Eduardo Palacios
Regie: Amat Escalante
Kinostart: 18.09.14
[ Andreas Körner ]