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Herbst

Ballade von den letzten Dingen

Der Tod, der naht, bringt ihm die Freiheit. Zehn Jahre saß Yusuf ob seines sozialistischen Engagements in Studententagen als politischer Gefangener in Haft. Hier erkrankte er, nicht zuletzt in Folge eines Hungerstreiks, an Tuberkulose. Irreparabel, stellt der alte Gefängnisarzt nüchtern fest und rät Yusuf, um seine Begnadigung zu ersuchen. Die gewährt ihm der türkische Staat. Ein Todkranker darf in Freiheit sterben. Und so reist Yusuf zurück in den kleinen Ort seiner Kindheit. Verborgen an der türkisch-georgischen Grenze. Ein Niemandsland im ewigen Regen. Fern der Welt. Fern der Politik, fern des Lebens. Ein Ort zum Sterben.

Eine stete Verlangsamung des Herzschlags, ein Lebensausklang in leisen, schönen Bildern und langen, ruhigen Einstellungen. Özcan Alpers Spielfilmdebüt HERBST ist ein Abschiedslied, ein Trauergesang. Bukolisch, allegorisch, betörend. Dazu aber auch ziemlich selbstverliebt in seine schwermütige Attitüde und bei der Gratwanderung zwischen Melancholie und sentimentalisierendem Kitsch, nicht immer auf der richtigen Seite. Denn natürlich muß Yusuf noch eine schöne Frau, Eka mit Namen, kennenlernen, die dem anstehenden Abschied in seiner Endgültigkeit die angemessene Bitter-Süße verleiht. Und irgendwie auch natürlich: Eka ist eine Prostituierte, eine Georgierin mit – natürlich – schwermütigen Augen und – natürlich – einem kleinen Kind, nach dem sie sich verzehrt, da es bei der fernen Großmutter lebt.

Ist das zu viel des aufgefahrenen Weltschmerzes? Ja. Özcan Alper schießt da mitunter übers Ziel hinaus. Aber zugegeben: Wer sich wohlfühlt im Elegischen, wer gern mal eintaucht in jene schwere Melancholie des Bewußtseins um unser aller Vergänglichkeit, wer den verhaltenen Rhythmus des dazugehörigen Erzählens mag, hat hier einen Film zum Zelebrieren. Da sind der ständige Regen, die nebligen Wälder und das tosende Meer, das immer wieder an- und abschwellende Ticken einer Uhr, die genauen Dialoge, das lange Schweigen zwischen den Worten und dieses Sammelsurium traurig-müder Augen.

Und es gibt die schöne Szene, in der Yusuf und Eka jeweils allein in ihrer Einsamkeit auf dem Bett liegen und im Fernsehen eine Verfilmung von Tschechows „Onkel Wanja“ anschauen und den Sätzen aus dem Schlußdialog lauschen: „Die Tage ableben, einen nach dem andern, arbeiten und alt werden, sterben und dann … vielleicht geht’s danach weiter. Ganz anders.“

Originaltitel: SONBAHAR

Türkei/D 2008, 106 min
Verleih: Filmfabrik

Genre: Drama

Darsteller: Onur Saylak, Cihan Camkerte, Yasar Güven

Regie: Özcan Alper

Kinostart: 08.07.10

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.