Die Schallplatten nach Interpreten geordnet, die Handtücher gestärkt und sortiert, die Pflanzen ausreichend gewässert. Bei Kuddel und Wilfried geht es ordentlich zu, ja schon pedantisch. Warum auch sollen schwule Paare weniger Spießer sein als ihre heterosexuellen Artgenossen? Zusammengefunden haben sie sich über Musik, oder besser über eine Lesart von Musik, Schlager nämlich.
Während Wilfrieds Herz im Osten für den schmissigen Sound einer Vicky Leandros bummerte, konnte sich Kuddel im Westen besonders für die tragisch geendete Renate Kern begeistern. Fernweh, Herzschmerz, Trennungsängste - die Texte der banalen Liedchen wurden zu Wegweisern ihrer aufblühenden Liebe. Wilfried stellte mehrfach den Ausreiseantrag, schrieb blumige und verzweifelte Zeilen an Erich Honecker und war den Akten der Bewachungshunde häufig einen Eintrag wert. Telefonate wurden abgehört, Besuche gelistet, und Post verschwand im Nirgendwo. Doch dann kann Wilfried ausreisen, und in Hannover beginnt eine Liebe, die größer als das Leben ist. So hat das zumindest Kuddel mal geschrieben.
Eine Dokumentation nun, die sich schon recht interessant geriert, sich aber leider etwas in den Nebensächlichkeiten - wie der Liebe zum Schlager - verliert, wo doch gerade in den zwischenmenschlichen und politischen Problemen jener und der heutigen Zeit wesentlich mehr Reizstoff geschlummert hätte. So erfahren wir zwar, daß alle Liebe durch die Gewohnheit des Alltags an Kraft verliert, daß Mitsummliedchen auch immer ein Fünkchen Wahrheit beinhalten, daß Kuddel und Wilfried regelmäßig Rateabende gestalten usw. Das ist sicher nicht genug für eine Dokumentation, die Menschliches, Politisches und die damit verbundenen Hochzeiten und Tragödien erzählen will.
So reißen die Filmemacher Thematisches wie die Arbeitslosigkeit der beiden zu knapp an, da wird beiläufig über die regelmäßigen Krisen am Mittwochabend gesprochen, um dann ganz schnell wieder in die tränengeschwängerten Lieder von Connie Frances, Mireille Mathieu und der unschlagbaren Vicky zu flüchten. Vielleicht eine gelungene Metapher für das Miteinander von Kurt Schmidt und Wilfried Friedrich, vielleicht aber auch eine etwas halbgare Erzählung.
D 2001, 72 min
Verleih: GMfilms
Genre: Dokumentation, Schwul-Lesbisch
Regie: Ulrike Franke, Michael Loeken
Kinostart: 20.03.03
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.