„Was soll man auch machen mit 17, 18 in Brandenburg?“, fragt sich ein besorgter Rainald Grebe in seiner Hymne an das fünftgrößte Bundesland mit der zweitkleinsten Bevölkerungsdichte. So mancher kommt in dieser Weite auf schillernde Ideen. Henryk Wichmann aus Lychen, zum Beispiel, wurde Mitglied der CDU. Und er gehört nun zu den wenigen Kommunalpolitikern, die sich bereits mit Mitte 20 ein Filmporträt in die Diele hängen konnten: HERR WICHMANN VON DER CDU. Mit seinem Bildnis des Polit-neulings als Stimmenjäger brachte sich Andreas Dresen 2003 auch als Dokumentarfilmer in Erinnerung. Leider nur, um sich gleich wieder für eine gefühlte Ewigkeit auf die andere Seite zu schlagen. Schwamm drüber.
Jetzt gibt es Neues aus Wichmanns Welt, und Dresen ist zur Stelle. Um etwa den frischgebackenen Mandatsträger im Brandenburger Landtag zu filmen: bei der Übergabe einer Unterschriftensammlung, beim Schwatzen, bei der Einübung von Entrüstungsritualen (heftiges Kopfschütteln, halblaute Zwischenrufe) und des unvermeidlichen Politjargons. Sichtlich wohler fühlt sich Wichmann in seinem über die Gegend verstreuten Wahlkreis Uckermark III/Oberhavel IV. Hier ist gefragt, was er am besten kann: sich kümmern. Um eine absurde Bahnsteigsicherheitsverordnung in Vogelsang, um Radwege und Schreiadler, um Kiesaufschüttungen und Wendeschleifen.
Dresen fädelt sich in diesen aufreibenden, kleinteiligen Alltag ein, stellt keine Fragen, gibt keine Kommentare und läßt sich entfalten, was man als Schwerstarbeit am Wähler bezeichnen muß. Wichmann wirkt dort, wo Demokratie nicht sexy ist. Daß er trotzdem immer wieder die Gelegenheit nutzt, sich mit der Kamera als Verstärker im Licht der eigenen Tatkraft zu sonnen, gehört zu den Gefahren des Filmens mit offenem Visier. Aber der Regisseur und sein Selbstdarsteller haben ein Gentlemen’s Agreement getroffen, das beiden die Chance auf den Film gibt, den sie sich wünschen: Wichmann teilt mit, was er mag, Dresen wählt aus, was er braucht. Es ist ein Geschäft mit Gewinn, besonders natürlich für alle, die sich ein Politikerporträt kaum anders als im Modus der Komik vorstellen können. Zu den umwerfenden Pointen gehören Weitwinkelblicke in die Landschaft, durch die – ganz winzig – Wichmanns Bürgerexpress fährt. Und schon sind die Größenverhältnisse wieder in Ordnung …
D 2012, 90 min
FSK 0
Verleih: Piffl
Genre: Dokumentation, Polit
Stab:
Regie: Andreas Dresen
Drehbuch: Andreas Dresen
Kamera: Andreas Höfer, Michael Hammon
Kinostart: 06.09.12
[ Sylvia Görke ]