Der Wichmann an sich ist ja ein recht agiler Kerl. Einer, der sich im Dienste der christlich-demokratischen Union noch in kleinstädtischen Fußgänger-Zonen aufbaut, Handzettel und Kugelschreiber verteilt, sich den Fragen und Attacken der Provinzler stellt, einer, der scheinbar noch Antworten darauf weiß, wie es in der Uckermark mal weiter gehen soll. Am besten natürlich mit ihm, schließlich ist Wahlkampf.
Henryk Wichmann will mit seinen gerade mal 25 Lenzen - wie er’s sagt - "frischen Wind in die Politik" bringen. Da ist er bei seinen knöchernen Kollegen wie Stotter-Edi und Heulbojen-Angela bestens aufgehoben. Auch Wichmann, und das erschüttert ob seiner Jugend am meisten, versteht sich aufs Altbackene, aufs Hysterische und mitunter - erschreckend stark ausgeprägt - auch aufs Demagogische. Dieser kleine Provinz-Rattenfänger strudelt in hitzigen Bürger-Debatten eben auch mal gefährlich nach rechts, drischt die nimmermüden Phrasen vom blühenden Fortschritt (er hätte wissen müssen, daß gerade daran die Menschen in diesem Landstrich nach dem Kohlschen Ausverkauf nicht mehr glauben), polemisiert ungefragt gegen die Naturverbundenheit der Grünen, hier im Speziellen gegen deren Liebe zu Fröschen, und paßt sich in Podiumsgesprächen geschmeidig an die Lärm-Meierei seiner Münchner und Berliner Kollegen an. Wer dieser so genauen und glücklicherweise unkommentierten Beobachtung Andreas Dresens folgt, sieht ganz schnell, warum im September 2002 die neue auch die alte Regierung bleiben mußte. Es hätte nämlich immer noch schlimmer kommen können. Einer, der sich in Materialschlachten (wenn auch recht lächerlichen) verliert, der darüber sinniert, wer denn nun wann mit wieviel größeren Plakaten Wahlkampf führt, einer der frühzeitig den Siegerarm nach oben reißt, so einer wird das Grauen der Wähler vor einer neuerlichen Ödnis à la "Das Ei vom Wolfgangs-See" nicht nehmen können. Dresen war Wichmann vier Wochen auf den Fersen, er demaskiert das arme Würstchen in seiner tragikomischen und phänomenalen Dokumentation niemals, das macht der Wichmann schon selber!
Nach diesem beeindruckenden Exkurs in die marode Seele eines Karrieristen bleibt in der Tat nur die bittere Hoffnung, daß Wichmanns Laienspiel auf den Brettern der Politik nur ein kurzes und vor allem ein letztmaliges war. Dafür wird nach Sichtung dieses wundervollen Films die Merkelsche schon sorgen.
D 2002, 80 min
Verleih: Piffl
Genre: Dokumentation
Regie: Andreas Dresen
Kinostart: 10.04.03
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.