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Hitlerkantate

Des Führers hysterische Sirenen

Die "Verführbarkeit der Massen" ist das Schlagwort zu den Enthusiasmierungsmechanismen der Nazidiktatur. Denkt man aber an die bekannten Bilddokumente der kreischenden, fallsüchtigen Frauen, von denen Hitler stets umgeben war, bekommt der Begriff einen geschlechtlichen Beigeschmack. Und eben der ist das eigentliche Thema dieses Films.

Erwähntes Dokumentarmaterial stellt Regisseurin Jutta Brückner, gleichsam als Thesenaufriß, an den Anfang und retuschiert das Mädchen Ursula Scheuner hinein, ihren weiblichen Gegenentwurf zu "Doktor Faustus" oder "Mephisto". Blond, walkürenhaft, glühend naiv und dem Führer im Wachen wie in der Ohnmacht treu ergeben, ist Ursula dabei eher Verallgemeinerung denn Charakter. Eine Halbwaise, die stellvertretend für eine ganze Generation den Vater, den Gefährten, den Liebhaber in allen Männern sucht: in Adolf Hitler Superstar, in einem anonymen Genossen am Parteitagsrand, dessen Kind sie abtreibt, im Verlobten bei der SS und schließlich im Komponisten Hanns Broch.

Als eifrige Assistentin begleitet sie den alternden, jede Ideologie verachtenden, jüdisch verbandelten Musiker in sein finnisches Landhaus, um ein Auftragswerk zu Führers Geburtstag zustande zu bringen. 1938, das Jahr der ersten Judenpogrome, bildet den unheilvollen Hintergrund für ihre fatale Liebesgeschichte. Fatal vor allem deshalb, weil Brückner sie als durcherotisiertes, allegorisch verdrehtes Exorzismus-Drama konzipiert. Broch nennt das "Hitler aus dem Leib vögeln".

Die arbeitsame "Teufelsaustreibung" steht exemplarisch für ein angestrengtes, zuweilen anstrengendes Vexierspiel aus Ablehnung und Hingabe, Betäubung und Besinnung. Spürbar wird Brückners Bemühen, einer korrumpierten Film-ästhetik auszuweichen - weg vom Aufblicken, den in Stein gehauenen Oberflächen. Der Leim aber, auf den sie geht, ist die Künstlichkeit: die artifizielle Verwirrung von Schauplätzen, Doppelgängermotiven und ödipalen Komplexen, eine ans Banale grenzende Bildsprache, thesenhafte Dialoge.

Die kaum vermittelte Exzentrik der Filmgestaltung führt hier zu wenig mehr als Schwerfälligkeit. So läßt diese ambitionierte Analyse der Fallsucht ihre merklich überforderte Hauptdarstellerin immer wieder auf den nächsten Teppich knallen. Und das bringt selbst einen Filmpartner wie Hilmar Thate in größte Verlegenheit ...

D 2005, 114 min
Verleih: Movienet

Genre: Historie, Polit, Drama

Darsteller: Lena Lauzemis, Hilmar Thate, Arnd Klawitter, Rike Schmid, Krista Stadler, Christine Schorn

Stab:
Regie: Jutta Brückner
Drehbuch: Jutta Brückner

Kinostart: 22.06.06

[ Sylvia Görke ]