Originaltitel: TURIST
S/F 2014, 118 min
FSK 12
Verleih: Alamode
Genre: Drama, Psycho
Darsteller: Johannes Bah Kuhnke, Lisa Loven Kongsli, Clara Wettergren
Regie: Ruben Östlund
Kinostart: 11.12.14
Es gibt Familien, die strahlen diese honigfarbene Aura von bürgerlichem Glück und Erfolg aus. Familien, die nach dem „klassischen“, konservativen Modell gezimmert, dabei aber liberal, tolerant und nebenbei auch noch ziemlich attraktiv sind. Ihre progressiven Ansichten pflegen sie durchaus; auch gerade bezüglich Erziehungsfragen oder Geschlechterrollen, dabei aber das „Progressive“ (was immer das dann sein mag) freilich nicht übertreibend. Kurzum: es sind Familien wie aus der Ikea-Werbung erstiegen. Sympathisch, praktisch, gut.
In HÖHERE GEWALT wird so eine Familie vorgeführt. Thomas und Lisa sind das Idealpaar Eheleute. Mit Söhnchen und Töchterchen verbringen die Schweden einen Skiurlaub in den französischen Alpen, und Regisseur Ruben Östlund tut gut daran, das als Idyll in Ausführlichkeit zu zeigen. Mit Stapfen im Schnee und gemeinsamem Mittagsschlummer im großen Hotelbett. Mit diesem entspannten Umgang auch mal sanft ironischer Routine im Miteinander. Doch dann kommt dieser Tag, an dem man auf der Restaurantterrasse des Hotels sitzt und sich in der Ferne plötzlich eine Lawine löst, die beängstigend schnell immer näher rast …
Und nein, diese Lawine wird dann doch nicht zur Gefahr, aber sie sieht gefährlich genug aus, um auf der Terrasse Panik entstehen zu lassen. Somit – gleich einem fiesen Witz des Schicksals – des jeweiligen Menschen innersten Charakterkern zum Vorschein bringend. Und während Ebba sich schützend über Tochter und Sohn wirft, stürzt Thomas in rücksichtsloser Flucht davon. Frau und Kinder sich selbst überlassend.
Und natürlich ist dann Schluß mit „glücklicher Familie“, und HÖHERE GEWALT zeigt eine Radikalerosion der Wahrnehmungen und Empfindungen. Daß Thomas, sei es aus Selbstbetrug oder Scham, nicht fähig ist, seinen Akt der Feigheit und Schwäche als solchen zu benennen, wirkt dabei wie der Katalysator, der das bisherige Glück als eines des Scheins, der Falschheit diskreditiert.
Womit HÖHERE GEWALT sich einreiht in eine lange Tradition skandinavischer Psycho-Dramen. Allerdings: Gemessen an dem, was man aus Nordeuropa diesbezüglich gerade auch schon an Kinowerken sah, wirkt Östlunds Film trotz vieler starker Momente in seiner Gesamtheit zu flach, zu wenig genau auch in der Nuancierung. Wie fluffiger Pulverschnee, der nicht zu formen ist und durch den die Handlung etwas behäbig dahinstapft.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.