Ein französisches Paar kommt nach Kambodscha, mit dem festen Entschluß, dort ein Kind zu adoptieren. Es beginnt eine Odyssee durch die Waisenhäuser und Behörden, die den Aufenthalt der beiden um Wochen verlängert. Sie treffen Gleichgesinnte im Hotel, wo man sich gegenseitig hilft und mißtrauisch beäugt. Schließlich finden sie ihre "Holy Lola" und gehen das Wagnis ein, das Kind bedingungslos zu lieben. Doch bis sie es mit in ihre Heimat nehmen können, stehen noch einige Hürden und Nervenzusammenbrüche an.
Wie die Eltern, so das Kind. Das haut in diesem Fall nicht hin. Der Film beschreibt authentisch das Adoptionsverfahren, das den Eltern die allergrößte Entschlossenheit abfordert. Doch wovon er zehrt, ist die kulturelle Diskrepanz. Zum einen müssen sich die Eltern in der Fremde zurechtfinden. Zum anderen werden Fragen aufgeworfen, moralische Fragen oder solche, die das eigene Selbstverständnis betreffen. Dem Wunsch des Paares nach der Erfüllung des Familientraumes steht die Situation des Landes gegenüber, das sich von seinem Terrorregime noch nicht erholt, aber an die europäischen und amerikanischen (Adoptions-)Touristen bereits gewöhnt hat.
Wirkungsvoll fängt Regisseur Tavernier diese Diskrepanz ein, ergänzt sie dezent durch Situationskomik und setzt sie an die Stelle einer herkömmlichen Dramaturgie. Erzählt wird eine Episode, von der Ankunft bis zur Abreise. Keine Vorgeschichte und kein danach. Unweigerlich fragt man sich, wie es für das kambodschanische Kind auf dem französischen Lande sein wird. Doch Tavernier wertet nicht. Er macht verständlich. Dabei erfahren wir nicht viel über dieses Paar. Und doch: auf dem Höhepunkt der gemeinsamen Reise bekommen wir eine Ahnung davon, daß vom Gelingen des Vorhabens die gemeinsame Existenz abhängt. Jacques Gamblin und Isabelle Carré, er behutsam zurückhaltend und sie mit vollem Emotionseinsatz, meistern die Herausforderung, ein prototypisches Paar zu spielen, dem man die Bürde der Kinderlosigkeit abnimmt. Ein ungewöhnlicher Film, der den Eindruck vermittelt, daß Bertrand Tavernier die Menschen liebt.
Originaltitel: HOLY LOLA
F 2004, 128 min
Verleih: Prokino
Genre: Drama
Darsteller: Isabelle Carré, Jacques Gamblin
Regie: Bertrand Tavernier
Kinostart: 18.08.05
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...