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Hwal – Der Bogen

Amors Pfeile und eine Dreiecksgeschichte auf hoher See

Ein Mann und eine Frau mit Heiratsabsicht sind per se ebenso unspektakulär wie ein gewisser Altersunterschied zwischen den zu Vermählenden. Leicht fragwürdig wird das Ganze aber, wenn die Braut noch nicht einmal 17 Jahre zählt, der Gemahl dagegen problemlos ihr Großvater sein könnte. Und wirklich finstere Wolken ziehen am Himmel angesichts der Tatsache auf, daß beide auf einem Boot mitten im Meer leben, der Alte seine junge Partnerin also – schon seit langer Zeit – von der Welt abschottet und darüber hinaus Liebe häufig mit Besitzansprüchen verwechselt.

Ein Bogen dient dem Galan dazu, das Mädchen gegen etwaige Konkurrenten zu verteidigen. Darüber hinaus findet die Waffe als Musikinstrument Verwendung, um die Angetraute in spe musikalisch zu verwöhnen. Das Pärchen spricht nicht miteinander, alle täglichen Rituale laufen in völliger Stille ab, während die Zeit bis zum Hochzeitstag verrinnt – Idylle pur. Aber plötzlich naht Gefahr: Ein Student möchte etwas Zeit auf dem zu Angelzwecken mietbaren Kutter verbringen. Die Maid ist sofort bezaubert und beginnt, ihren künftigen Gatten zu provozieren, ihn willentlich zu verletzen. Doch kampflos räumt der alte Mann das Feld ganz sicher nicht ...

Was theoretisch fast wie eine klassische Liebestragödie mit Hang zur maßlosen Übertreibung klingt, wird praktisch angenehm zurückhaltend inszeniert. HWAL schwelgt stets in satten Farben, verführt mit Blicken aus glühenden Augen, rührt an durch vereinzelte Tränen oder ein herzzerreißendes Lächeln beziehungsweise streut subtile Symbolik aus – laute Töne, gar aufdringliche Metaphorik bleiben allerdings fern. Andererseits wäre Regisseur Kim Ki-duk kaum er selbst, würden sich im letzten Drittel nicht geradezu grausame emotionale Spitzen ebenso zielsicher wie tief unter die Haut seines Publikums bohren.

Obwohl HWAL insgesamt weit weniger verstörend wirkt als gerade SEOM oder SAMARIA, bleibt das Geschehen somit trotzdem noch lange im Gedächtnis haften. Diesmal als unbequemes, schrecklich schönes Gleichnis darauf, daß die Liebe gleichzeitig den größten Segen und schlimmsten Fluch des menschlichen Daseins darstellt. Ohne Pathos, ohne Kitsch. Kim Ki-duk scheint wie immer genauestens zu wissen, wovon er spricht.

Originaltitel: HWAL - THE BOW

Südkorea 2005, 90 min
Verleih: REM

Genre: Tragödie, Poesie, Liebe

Darsteller: Jeon Sung-hwan, Han Yeo-reum, Seo Ji-seok

Stab:
Regie: Kim Ki-duk
Drehbuch: Kim Ki-duk
Stimmen: Kim Ki-duk
Produktion: Kim Ki-duk

Kinostart: 17.08.06

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...