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I Am A Woman Now

Berührende Doku über transsexuelle Damen

Heute ist das Thema Transsexualität Bestandteil des gesellschaftlichen Diskurses. Filme wie TRANSPAPA, TOMBOY oder TINTENFISCH-ALARM haben längst dafür gesorgt, daß lebensnahe Bilder und Beschreibungen der Situation Transsexueller zur Verfügung stehen, auf die in der Diskussion zurückgegriffen werden kann.

Mitte des 19. Jahrhunderts bis weit ins zwanzigste hinein waren Männer in Frauenkleidern vor allem Anlaß zu Komik, man denke nur an Filmvergnügungen wie MANCHE MÖGEN’S HEISS. Alle fünf Protagonistinnen sind in I AM A WOMAN NOW deshalb echte Pionierinnen, denn sie haben in den 60er und 70er Jahren eine geschlechtsangleichende Operation vornehmen lassen, bevor es irgendwelche verläßlichen Erfahrungswerte dazu gab. Keine von ihnen wußte, wie ihr Leben nach der Verwandlung zur Frau sein würde. Und doch riskierten sie ihr Leben, um ein neues zu bekommen. Keine von ihnen hat die Operation je bereut, auch wenn natürlich trotzdem nicht alles glatt ging im neuen Leben.

Der Regisseur Michiel van Erp trifft die eindrucksvollen Persönlichkeiten (fast alle sind ausgesprochen bühnenaffin und mit über 70 wahre Diven) heute, 40 Jahre später, und bereitet ihnen eine filmische Bühne, die sie gerne und mit der gebührenden Grandezza einnehmen. Besonders eindrücklich erscheint die einzige deutsche Protagonistin, die Graphikerin Jean Lessenich, die zwar weit weniger glamourös auftritt als ihre „Schwestern im Geiste“, an deren Biographie aber die Gratwanderung eines Lebens, das quer zu allen bekannten Geschlechtsidentitäten und Zuschreibungen läuft, deutlich ablesbar ist. Sie entschied sich in den 70er Jahren für eine Geschlechtsumwandlung, begann aber zwölf Jahre später aus Liebe zu ihrer japanischen Lebenspartnerin, wieder als Mann zu leben und begreift sich heute, nach dem Tod ihrer Ehefrau, schlicht und einfach als Mensch.

Es ist diese heitere Ruhe, die alle Protagonistinnen vereint, und die diesen Film zu einem Erlebnis macht. Letztlich sprechen sie mit der Weisheit von mehr als 70 prall gefüllten Lebensjahren etwas aus, das für jeden gilt, jenseits geschlechtlicher und gesellschaftlicher Verortungen: Leben heißt, Entscheidungen zu treffen und mit ihnen so gut wie möglich zu leben, denn jede Entscheidung ist ein unverzichtbarer Schritt auf unserem Weg, zu denen zu werden, die wir sind.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.