Originaltitel: I AM DIVINE
USA 2013, 86 min
FSK 12
Verleih: Pro Fun
Genre: Dokumentation, Biographie, Schwul-Lesbisch
Regie: Jeffrey Schwarz
Kinostart: 16.10.14
John Waters’ Karriere ist ohne Divine nicht denkbar, und Divine selbst verdankte Waters wunderbar durchgeknallte Hauptrollen in faszinierend durchgeknallten Filmen. Mit Waters gelang der Durchbruch oder besser der Beinahe-Durchbruch vom undergroundigen Trashperformer zum Charakterkopf. Denn so unberechenbar Divines Krawallperformances auf den Bühnen der Subkultur waren, so spontan waren die Rollen als 65-Doppel-D-Gossen-Jayne-Mansfield-Klone angelegt, und so ad hoc verabschiedete sich der schwergewichtige Star, kurz bevor er vor einem Millionenpublikum zu bestehen hätte: Am Vorabend des Drehbeginns zu „Eine schrecklich nette Familie“ starb Divine 1988 mit gerade einmal 42 Jahren an einer Herzattacke.
Jeffrey Schwarz’ Doku erinnert an eine spannende Kunstfigur der Popkultur, eine der schillerndsten Persönlichkeiten der sogenannten Counter-Culture, die unvergleichbar bleibt, bis heute, ohne die es wiederum extrovertierte Stars wie Boy George nie gegeben hätte. Divine war pure Avantgarde, ohne Scheu, dafür mit reichlich Bereitschaft anzuecken, aber eben ganz anders als viele Jahre später Madonna, die nur provozierte, um den Scheck größer ausfallen zu lassen. Diese Divine war eine ehrliche Type, ironiefähig, klug, und sie wußte durchaus zu unterscheiden zwischen dem privaten, eloquenten, dicklichen Kerl und der reichlich vulgären, optisch Grenzen auslotenden und ordentlich krawalligen Tunte mit einem derart ausufernden Make-up, daß schon mal der Haaransatz verschoben werden mußte: Schönheit braucht halt Platz.
Von all dem erzählt nun der Film, er tut dies zwar reichlich bieder mit den üblichen Talking Heads ohne Ende: die Ex-Freundin, die vom schwulen Glenn, so hieß Divine bürgerlich, nix ahnte, die Königin des Transentrash gehörig lobende Ko-Stars und natürlich der noch mit knapp 70 so endeitle John Waters selbst. Das ist wenig innovativ, schadet dem Zeitdokument aber auch kaum, da zum einen mit Divines rüstiger Mutter eine sehr anrührende, witzige Gesprächspartnerin aufschlägt, zum anderen lösen die, wenn auch zu knappen, Einsprengsel von Gesprächen und Auftritten Divines die Steifheit der Textlastigkeit auf.
Diese wuchtige Glitzerfee war von einer Präsenz beseelt und wie große Künstler eben zwiegespalten: lebensgierig und schüchtern, höchst professionell und trotzdem keine dieser bierernsten Drags, arbeitswütig und immer großzügig, auch wenn das Geld, das sie mit vollen Händen ausgab, nicht immer ihr eigenes war. Ganz ehrlich: Solche Figuren fehlen in unserer viel zu glatten, oft auf den schnöden Mammon konzentrierten Popkultur heutzutage.
Divine war der personifizierte Arschtritt wider die Gleichmachung, wider die systemgebedingte Uniformität, sie wollte anders sein, Leute erschrecken, dies durchaus künstlerisch ambitioniert. Sie war perfekt für einen Bürgerschreckfilmemacher wie Waters, für den der größte Applaus war, wenn sich im Kino einer übergab.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.