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I, Anna

Mit Schirm, Charme und Verzweiflung

Detective Bernie Reid findet auch in dieser Nacht keine Ruhe. Irgend so ein alleinstehender Typ in einem anonymen Apartment hat eine Kleinplastik auf den Kopf bekommen, und zwar mit tödlicher Wucht. Doch auf dem Weg zum Tatort fesselt etwas anderes die Aufmerksamkeit des müden Kriminalbeamten: Anna Welles, eine ätherische Erscheinung von selbstverständlicher Eleganz, reichlich verschlossen und sehr in Eile. Während die Kollegen ihre Fahndungsroutine in Gang setzen und bald auf den Sohn des Toten stoßen, ermittelt Bernie im Fall Anna, zunächst ganz ohne berufliche Interessen.

Was ist dran an diesem unscheinbaren Büchlein von Elsa Lewin, das wohl nie unter schwerem literarischen Qualitätsverdacht stand? 1984 erschien der ruppig geschriebene, etwas nachlässig strukturierte Psychotragikrimi um einen vergessenen Regenschirm, eine einsame Frau und einen noch einsameren Kriminalbeamten, deren seltsame Annäherung auf einer Blutspur ins Rutschen kommt. 1998 verfilmte Nico Hofmann den Stoff unter dem Titel SOLO FÜR KLARINETTE und delektierte sich deutlich an den erotischen Aspekten der Vorlage. Nun wagte sich Barnaby Southcombe an den eselsohrigen Genrehybriden, wählte allerdings einen dezenteren, aber durchaus reizvollen Blick.

Statt New York oder Berlin hat sich Southcombe für den Handlungsort London entschieden, den er als atmosphärischen Eisschrank in Szene setzt, durchweht von permanenter Zugluft, für die das Personal der Geschichte viel zu dünn angezogen ist. Vor allem seelisch. Sein Film ist leiser geworden, weicher, noch durchlässiger für die Übernächtigung als Modus vivendi der Großstadt, für die Stille in den Geschiedenenbehausungen und die Verschämtheit der Singletreffs, die Anna besucht. Und Southcombe hat die Buchvorlage um einen psychopathologischen Twist erweitert, der die Figuren um einige Facetten bereichert. Daß manche Kritiker diesem Kinodebüt reserviert begegneten, hat Gründe. Man kann sie tatsächlich für etwas prätentiös halten, diese in kühles Grau-Blau getauchten Bilder, die Spiegelungen, die artifiziellen Sichtbeschränkungen.

Aber die überzeugendsten Argumente für Southcombes Film sind seine Hauptdarsteller: eine souveräne, feenhafte, geheimnisvolle Charlotte Rampling, im wirklichen Leben die Mutter des Regisseurs, und der in sich gekehrte Kleinstgestenspezialist Gabriel Byrne.

Originaltitel: I, ANNA

GB/D/F 2012, 93 min
FSK 16
Verleih: NFP

Genre: Drama, Thriller

Darsteller: Charlotte Rampling, Gabriel Byrne

Stab:
Regie: Barnaby Southcombe
Drehbuch: Barnaby Southcombe

Kinostart: 02.05.13

[ Sylvia Görke ]