Wohl kaum ein anderer Name steht derart ikonisch für filmemacherisches Genie und für die Tücken des Filmgeschäfts zugleich wie der von Orson Welles. Mit seinem ersten Werk schrieb Welles bereits Filmgeschichte, nur um danach immer wieder an der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Hollywood zu scheitern. Richard Linklater bedient sich in seiner filmischen Ehrerbietung zwar für seine Verhältnisse eher klassischer erzählerischer Mittel, liefert aber trotz seiner berühmten Titelfigur im Zentrum kein typisches Biopic ab.
Nicht nur, daß er statt Welles’ Filmkarriere dessen ersten Großerfolg am Broadway beleuchtet, da ist außerdem noch das nicht zu ignorierende „Ich“ im Titel, und dieses Ich ist die eigentliche Hauptfigur: Ein aufstrebender Jungschauspieler namens Richard Samuels, der in seine kleine Rolle in Welles’ berühmter Inszenierung von Shakespeares „Julius Caesar“ regelrecht hineinstolpert. An Welles’ Mercury Theater lernt Richard die famose Welt der Bühne mit allen Licht- und Schattenseiten kennen. Und Licht und Schatten sind es auch, die sich bei Meister Welles immer wieder abwechseln: Man erlebt den großen Charmeur, den brutalen Diktator, das geniale Arbeitstier und den buhlerischen Blender, alles zusammengefaßt in einer großen Persönlichkeit, in der das tragische Scheitern bereits angelegt ist.
Christian McKay ist wohl die größte Entdeckung dieses facettenreichen Films über Kunst und Leben. Der Brite spielt Welles, um einen Ausdruck Welles’ aus dem Film zu benutzen, „ ...als hätte Gott ihn dazu auserkoren.“ McKay vermag den ambivalenten Kern dieser Figur, das Abstoßende und das Anziehende, stets glaubhaft zu vermitteln. Aber wo Licht ist, da ist auch Schatten, und in Letzterem dieser Großleistung steht Jungdarsteller und Teenieschwarm Zac Efron, der seine Rolle zwar solide spielt, aber dessen aalglatte Ausstrahlung die Figur des strauchelnden Richards doch um einiges schwerer zugänglich macht, als es jedes unverbrauchtere Gesicht ermöglicht hätte.
Dennoch kann man Linklaters theaterhistorische Coming Of Age-Komödie insgesamt als gelungen bezeichnen und fühlt sich in ihren besten Momenten gar an die mittlere Schaffens-phase eines anderen Genies erinnert – der von Woody Allen nämlich zu Zeiten von BULLETS OVER BROADWAY.
Originaltitel: ME AND ORSON WELLES
USA 2009, 109 min
FSK 6
Verleih: Farbfilm
Genre: Komödie, Biographie, Erwachsenwerden
Darsteller: Christopher McKay, Zac Efron, Claire Danes, Ben Chaplin, Eddie Marsan, Zoe Kazan
Regie: Richard Linklater
Kinostart: 26.08.10
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...