Originaltitel: I, DANIEL BLAKE
GB 2016, 100 min
FSK 6
Verleih: Prokino
Genre: Drama
Darsteller: Dave Johns, Hayley Squires, Micky McGregor, Mick Laffey
Regie: Ken Loach
Kinostart: 24.11.16
Die Äußerung sei wohl etwas überstürzt gewesen, sagt Ken Loach heute. Nach JIMMY’S HALL von 2014 hatte der damals 78jährige Regisseur verkündet, das Filmen einzustellen. Man konnte es sich kaum vorstellen. Er macht ja auch weiter! Wie? Wie zuvor!
ICH, DANIEL BLAKE ist also kein Thriller, keine Komödie, sondern ein Sozialdrama mit klarer Ansage, deutlichem Statement, blutendem Herz für Menschen. Dort, wo sich Loach und Drehbuchautor Paul Laverty am besten auskennen und auf sicherem Terrain bewegen, halten sich Überraschungen in engen Grenzen, formt sich die Botschaft wie von selbst, ist jede Menge Gutes im noch so bösen Spiel. Der Humanismus kommt aus tiefen Quellen. Daß sich Loach/Laverty mit diesem, nennen wir es durchaus angespitzt, sturen Willen immer weiter von größeren Zuschauerkreisen entfernen, liegt in keinster Weise an ihnen selbst. Auch die Briten müssen sich, trotz Cannes-Gewinn, der neuen Verweigerungshaltung des Kinopublikums gegenüber lebensechten Themen stellen. 2016 hat, gerade hier, noch eins draufgelegt.
Drauflegen würde Daniel Blake gern ein paar Arbeitsjahre als Zimmermann. Doch dem Endfünfziger kommt ein Herzinfarkt in die Quere. Von jetzt auf gleich findet sich der arbeitsunfähige, aber als arbeitsfähig eingestufte Witwer auf Ämtern wieder, die ihn verwirren, verunsichern, schließlich verzweifeln lassen. Von Gesundheitsdienstleistern und Beratern ernüchtert, von Ereignissen vor Ort in Rage versetzt, ringt er, Daniel Blake, mit Realitäten, die man zu gern als typisch britische bezeichnen will, die sich in anderen Aggregatzuständen jedoch nahezu überall auf der Welt finden lassen. Dort, wo der Sozial- und Unsozialstaat auf seine Menschen trifft.
„Geben Sie mir Land, und ich baue ihnen ein Haus“, sagt Blake zu einem Diensthabenden. „Aber Computer?“ ICH, DANIEL BLAKE ist eine moderne Odyssee, ein Hürdenlauf zwischen Antragsformularen – nur online, bitte! – und gleichzeitig ein todernster Kampf um Geld und eigentlich unantastbare Würde. Loach und Laverty erzählen wie gehabt nüchtern und direkt. Erneut muß sich die Moral keine Verstecke suchen, gibt es Begegnungen mit eher unbekannten britischen Filmgesichtern. Die erzählerische Wucht aber kommt diesmal eher gedämpft zur Entfaltung. Es könnte an der etwas fremdelnden Verschmelzung der Generationen liegen. Oder daran, daß wir schon zu viele Loachs gesehen haben?
[ Andreas Körner ]