Noch keine Bewertung

Ich habe den englischen König bedient

Kleiner Mann, was nun?

Das Glück im Unglück zu finden, steht als Lebensmotto der Hauptfigur Jan Díte in Jirí Menzels Verfilmung des Schelmenromans von Bohumil Hrabal. Der kleine Mann Díte möchte reich werden und versucht sich vom Würstchenverkäufer zum Millionär hochzuarbeiten. Immer wieder trägt ihm das Schicksal Gelegenheiten in Form von Frauen, dem Kaiser von Abessinien, einem Weltkrieg und wertvollen Briefmarken von deportierten Juden zu, die ihn seinem Traum, eines Tages ein wohlhabender Hotelbesitzer zu sein, ein Stück näher bringen. Dabei landet er jedoch im Bett des Feindes, wird so zum Verräter und kommt schließlich dort an, wo er immer hin wollte: unter die Millionäre. Allerdings im Gefängnis.

Menzel setzt bei der Inszenierung auf eine Erzählsprache, die wohl als typisch tschechisch angesehen werden kann, bedient sie sich doch gerne surrealen Bildern, märchenhaften Animationselementen, Mitteln des Stummfilms und einer deftigen Portion Selbstironie. Wie ein roter Pfaden ziehen sich so beispielsweise klingende Münzen durch die Geschichte, die Jan zu allen Gelegenheiten in die Luft wirft, um zu beobachten, wie sich Reiche und Arme gleichermaßen gierig bücken und dabei mit den Köpfen zusammenstoßen. Derlei metaphorischer Verweise gibt es viele. Allerdings geraten die Geschichten, die der mittlerweile gealterte Jan in Rückblenden zum Besten gibt und die Menzel in opulenten theatralen Sets nachstellt, beinahe altbacken, ja fast konservativ. So empfindet man es eher als ärgerlich denn komisch, wenn Prostitution durchgehend als etwas ungeheuer Amüsantes gezeigt wird. Auch die groteske Darstellung der Nazis mitsamt ihrer Zuchtrituale für eine reine Menschenrasse und Julia Jentsch als bezopfte Egerländerin in Tracht wirken eher bemüht.

Die unterschwellige Tragik in der Komödie findet sich wohl besser in Hrabals Vorlage. Seine filmische Adaption erliegt der Dramatik, daß sich gute Pointen im Kopf zu sehr individuellen Bildern fügen; werden diese auf großer Leinwand vorgegeben, bleibt oft nur die Schnittmenge einer Bandbreite von Deutungen übrig. Alle Liebhaber von Menzel werden jedoch auch hier auf ihre Kosten kommen, und für alle anderen ergibt sich die großartige Möglichkeit, ihre vielleicht schon etwas eingerosteten Sehgewohnheiten "kulturell" abzugleichen. Einen Schnellkurs in tschechischer Geschichte mitsamt Befindlichkeiten der dortigen Seele inklusive.

Originaltitel: OBSLUHOVAL JSEM ANGLICKÉHO KRÁLE

Tschechien/Slowakei 2006, 119 min
Verleih: Farbfilm

Genre: Komödie, Literaturverfilmung

Darsteller: Julia Jentsch, István Szabó

Regie: Jirí Menzel

Kinostart: 21.08.08

[ Susanne Schulz ]