„Hisbollah ist dann, wenn eine Frau nur Probleme macht.“ So herrlich gereizt kann man reagieren, wenn diese Kinga, die alle nur Ki nennen, einem auf die Pelle rückt und etwa wissen will, was das eigentlich ist, dieses „Hisbollah“ von dem da im Fernsehen gerade die Rede ist. Jung, hübsch, willensstark und mitnichten so naiv, wie nun die Hisbollah-Frage glauben machen könnte, ist diese Ki. Ein alleinerziehende Mutter und ein Energiebündel mit künstlerischen Ambitionen, von denen man allerdings nie wirklich genau weiß, ob sie nicht nur in Ermangelung besserer Ideen gepflegt werden.
Leszek Dawids Regiedebüt ICH HEISSE KI ist einer jener kleinen Filme, die geradezu hyperventilieren vor Energie. Das Porträt einer jungen Frau verfügt in unmittelbaren Szenen, die ohne abgeschliffene Konfliktkanten, ohne sich auf sympathisch zu schminken und vor allem ohne falsches Verständnis für deren charakterliche Ambivalenzen, dafür mit echter Neugier auf die Titelheldin, dieser durch eine kurze Zeit ihres Lebens folgen. Vom Vater des Kindes hat Ki sich gerade aus wahrlich gutem Grund getrennt. Unterschlupf findet sie in einer WG, das wenige Geld verdient sie als Aktmodell. Das Sozialamt sitzt ihr im Nacken, ein Beamter macht nicht nur schmierige Avancen, sondern auch Druck. Weshalb Ki, nachdem sie einen Mitbewohner mit nervigen Fragen nach dem Nahost-Konflikt auf die Palme brachte (siehe oben), diesen nahtlos bittet, sich als ihr Verlobter auszugeben. Also natürlich nur dann, wenn jemand vom Sozialamt kommt, um zu überprüfen, ob Ki ihrem Sohn auch ein stabiles Umfeld und so Dinge von sozialamtsmäßigem Interesse eben bietet.
Und nein, das ist dann eben kein Beginn einer Liebesgeschichte zwischen widerspenstigem Kerl und lebensverrückter Frau. Weil hier selbst die starken Männer zu schwach sind für Ki. Von deren „feministischen Strategien als Wege zur Konfrontation“ spricht lachend eine Freundin, und Dawids Film zeigt diese Strategien und Konfrontationen mit Sympathie. Und im Grunde auch als Notwendigkeiten, die daraus erwachsen, wenn man sich als Frau in einer Gesellschaft behaupten muß, die Frauen eben Rollen zuschreibt, die zu spielen jemand wie Ki nicht bereit und auch gar nicht fähig ist.
Das Drama, welches sich darin verbirgt, braucht der Film dann auch gar nicht laut und agitatorisch aufzuplustern. Es reicht zum Beispiel dieser letzte stumme Blick in das Gesicht Roma Gasiorowskas, die in ihrer Rolle als Ki eine schlicht hinreißende Zumutung ist.
Originaltitel: KI
Polen 2011, 90 min
Verleih: Eksystent
Genre: Tragikomödie, Schicksal
Darsteller: Roma Gasiorowska, Adam Woronowicz
Regie: Leszek Dawid
Kinostart: 31.12.15
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.