D/Belgien 2015, 120 min
FSK 6
Verleih: X Verleih

Genre: Literaturverfilmung, Komödie

Darsteller: Daniel Brühl, Jesper Christensen, Denis Lavant, Amira Casar, Jördis Triebel, Geraldine Chaplin

Regie: Wolfgang Becker

Kinostart: 17.09.15

Noch keine Bewertung

Ich und Kaminski

… und Picasso und Matisse und Warhol

Das Namedropping gehört nicht zu den elegantesten, aber doch zu den gebräuchlichsten Mitteln, wenn es gilt, andere von der eigenen Kennerschaft zu überzeugen. Daniel Kehlmanns Roman um einen an kolossaler Selbstüberschätzung leidenden Kunstjournalisten und einen Maler namens Manuel Kaminski machte aus der Not eine literarische Tugend. Kehlmann ließ Namen fallen wie andere Leute Kaugummipapier und setzte daraus ein komisch-böses Bild des zeitgenössischen Kunstbetriebs zusammen, in dem Erfundenes und Gewußtes fröhlich durcheinander wimmeln.

Wolfgang Beckers prominent besetzte Romanadaption nimmt sich vor, dieses Wimmeln in Film zu übersetzen und beginnt damit gleich im Vorspann. Wie beim Skat wird hier eine erfundene Künstlerbiographie auf die Leinwand gekloppt: gefälschte Fotodokumente in altertümelndem Schwarz-Weiß, Kaminski im Atelier von Matisse, Kaminski auf einem Schnappschuß neben Andy Warhol, alles knapp und im selbstgewissen Biographen-Jargon kommentiert. So effektiv und überzeugend kann man also eine Malerpersönlichkeit in die Kunsthistorie einführen – und dann wie zum Hohn von etwas völlig anderem erzählen. Nämlich von Sebastian Zöllner. Er ist das unbescheidene „Ich“ der Geschichte: ein frecher Parvenü, der alles Mögliche unternimmt, um sich einen Namen als selbsternannter Kaminski-Experte zu machen. Also fährt er zur „Quelle schlechthin“ und besucht den betagten Künstler in dessen Alpendomizil. Ist der Alte wirklich blind? Was geschah mit seiner geheimnisvollen Jugendliebe Therese? Und warum, zum Teufel, erinnern sich alle Zeitzeugen so schlecht oder gar falsch? Je mehr Zöllner erfährt, desto unklarer wird die Faktenlage.

Schon Beckers GOOD BYE, LENIN! verhandelte Fragen nach der Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild, nach dem Richtigen im Falschen und umgekehrt. Darin ist sich der Regisseur treu geblieben, ebenso wie im Amüsieranspruch und in der Liebe zu kleinen und größeren filmgestalterischen Extravaganzen. Eine Imbißverkäuferin implodiert, eine Tankstellenpächterin wird füsiliert, Gesagtes und Gezeigtes kommen sich komisch in die Quere. Doch irgendwo in der Mitte des Films, als man fast sicher war, gut und clever unterhalten zu sein, scheint sich Becker an den eigenen Erzähl- und Bildeinfällen sattgesehen zu haben. Was so vielversprechend und rasant begann, geht leider etwas zäh zu Ende.

[ Sylvia Görke ]