Wer sich mit Fotografie als Kunstform beschäftigt, kam im letzten Jahrzehnt wohl kaum um den Namen Wolfgang Tillmans herum. Der in London lebende Deutsche zählt zu den weltbesten Fotografen und gewann unter anderem als erster Nicht-Engländer den renommierten Turner-Preis der Londoner Tate-Galerie. Als Dokumentarist der damals gerade aus der Subkultur herauswachsenden Techno-Szene begann die Karriere Tillmans’ Anfang der 90er, mittlerweile hat er sein eigenes riesiges Studio in London, stellt sein vielseitiges Œuvre in der Tate und im Guggenheim aus und dreht Videos für die Pet Shop Boys.
Der Theaterregisseur und Videokünstler Heiko Kalmbach hat den Superstar der Fotografiekunst über vier Jahre bei Arbeit und Leben begleitet. Außer ein paar Sätzen von Tillmans’ langjährigem Assistenten kommt im fertigen Film ausschließlich Tillmans selbst zu Wort, was dem Film eine sehr hermetische Form gibt, die ihm nicht immer nur zum Vorteil gereicht. Denn so interessant es ist, den Perfektionisten bei seiner täglichen Arbeit im Studio und in Galerien zu beobachten, so hätte man doch hin und wieder gern etwas mehr gewußt über den Privatmenschen Tillmans.
Der Tod seines langjährigen Partners Jochen Klein etwa, der 1997 an AIDS starb, wird nur gestreift, Herkunft und Familie bleiben gänzlich außen vor, und auch die Karriereetappen des Fotografen werden von Kalmbach als Vorabwissen vorausgesetzt. Es ist ein Insider-Porträt geworden, das Kalmbach in 70 Filmminuten gestaltet, und das seine Stärke und Schwäche zugleich aus seiner Direktheit bezieht. Der Künstler und seine Arbeit sind untrennbar miteinander verbunden, und es ist sicherlich konsequent zu nennen, wenn Letztere den Film derartig dominiert. Wenn Tillmans jeden Schritt der Ausstellungsvorbereitung akribisch überwacht und jedes Bild in der Galerie selbst aufhängt, dann mag das einerseits mehr über den Künstlercharakter erzählen als eine Montage mit Kommentarstimme zu Errungenschaften und Preisen.
Andererseits resultiert die Häufung von Szenen wie der beschriebenen in einer gewissen Redundanz. Etwas Abstand von seinem Objekt hätte dem Film mancherorts gut getan, denn diese Distanz hätte paradoxerweise wahrscheinlich den Menschen Wolfgang Tillmans dem Zuschauer etwas näher gebracht.
Originaltitel: IF ONE THING MATTERS – A FILM ABOUT WOLFGANG TILLMANS
D 2008, 70 min
Verleih: Eigenverleih
Genre: Dokumentation, Biographie
Darsteller: Wolfgang Tillmans, Irm Hermann, The Pet Shop Boys
Regie: Heiko Kalmbach
Kinostart: 10.06.10
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...