D 2022, 119 min
FSK 0
Verleih: Piffl
Genre: Dokumentation, Musik
Regie: Regina Schilling
Kinostart: 06.10.22
Es konnte wirklich keiner wissen, daß dieser Flügel, den die Transporteure in Igor Levits Berliner Wohnung schleppen, bald wichtiger werden würde als jemals gedacht. Wie aber Regisseurin Regina Schilling mit dem unsäglichen Covid-Thema umgeht, wie sie es dramaturgisch zwar einfließen, dennoch niemals obsiegen läßt, ist handwerklich großartig. Und es kommen noch andere feinsinnige Schachzüge hinzu.
Knapp zwei Stunden bleiben nach zwei Jahren dicht gewollter und zugelassener Begleitung für IGOR LEVIT – NO FEAR. Speziell im Dokumentarfilm ist es ein untrügliches Zeichen guter Qualität, hätten es für den Rezipienten im Saal noch mehr sein können. Hier klebt man förmlich an der Leinwand fest, schnappt auch schon mal nach Luft, vorausgesetzt, man hat selbst eine gewisse Grundaffinität zur klassischen Musik. Denn, und dies wäre solch ein feinsinniger Zug, das Spiel des Pianisten, besonders auch sein Ringen mit Beethoven, bekommt größten Raum.
Man darf nicht nur zusehen, auch zuhören. Man darf nicht nur streifen, sondern eintauchen. Levit als profunder Künstler ist essentiell. Biographisches marmoriert nur, nach seiner Kindheit in der Heimat Rußland gefragt, wird der heute 35jährige gar harsch: „Es bedeutet mir nichts.“ Gesetzlich gelte er als Lärm, sagt Levit mit seinem eher trockenen Humor. Die Nachbarn wüßten aber Bescheid. Im Normalfall ist er sowieso nicht oft daheim, 108 Konzerte standen für 2020 an, Studioaktivitäten exklusive. Danach gefragt, bricht er im Taxi kurz zusammen. Ein verrücktes Leben!
IGOR LEVIT – NO FEAR wird als Einblick in ein Künstlerdasein zum Solitär. Levit ist sendungsbewußter Social-Media-Aktivist, es gibt Podcasts en masse, zig Plattformseiten über und von ihm, er hat zuletzt 52 Hauskonzerte gespielt, dieses Kinostück (!) aber überstrahlt alles, was man bislang von ihm zu wissen glaubte. Es ergänzt nicht nur. Furchtlos sei Beethovens Musik, furchtlos müsse man sein, ihn zu interpretieren. Im feinen Zwirn der edlen Konzerthäuser sieht man den Schweiß nicht triefen, hier schon. Levit zuckt noch mal durch, als er Muddy Waters hört, in einer von vielen einfach wunderschönen Szenen mit seinem Tonmeister Andreas Neubronner macht er dessen Unterarm zur Klaviatur.
Am Ende sitzt er dann im Dannenröder Forst am Instrument. Der gefährdete Wald wird zur Carnegie Hall und Levit zur Projektion einer Hoffnung.
[ Andreas Körner ]