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Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen

Aber die Mieter sind uneins

Wohngemeinschaften, zumal unfreiwillige, bergen eine Menge Sprengstoff. Die Grabeskirche in Jerusalem – von vielen Gläubigen als das höchste Heiligtum der Christenheit verehrt – ist eine solche „Zwangsgemeinschaft.“ Sechs christliche Konfessionen teilen sich hier das Hausrecht: Orthodoxe, Katholiken, ägyptische Kopten sowie syrische, armenische und äthiopische Christen.

Ein strenger Plan, der auf einem 1852 festgeschriebenem Status Quo basiert, regelt Rechte und Pflichten jeder Gemeinschaft bis ins kleinste Detail. Und läßt doch genügend Raum für verbissene Kleinkriege um Gebetszeiten und Aufenthaltsrechte am Heiligen Grab. Kooperatives Handeln, um gemeinsame Probleme anzugehen – zum Beispiel die bauliche Sanierung der Kirche voranzubringen – scheitert an gegenseitigem Mißtrauen und mangelnder Kompromißbereitschaft.

Regisseur und Kameramann Hajo Schomerus läßt Angehörige verschiedener Konfessionen sowie die zwei muslimischen Familien zu Wort kommen, denen als neutrale Wächter seit Jahrhunderten die Schlüsselgewalt über die Kirche anvertraut ist. Im Grunde sind alle unzufrieden mit dem kleinlichen Hickhack, aber niemand ist bereit, den ersten Schritt zu tun und Statusverluste zu riskieren. Ein junger Franziskaner hat Mühe, seine tiefe Enttäuschung über dieses wenig christliche Miteinander zu verbergen.

In klassischer Dokumentarfilmmanier werden Interviewsequenzen abwechselnd mit schönen Bildern aus dem Alltag der imposanten Grabeskirche gezeigt. Dieses Konzept trägt die erste Hälfte des Films, in der zweiten guckt man auf die Uhr. Der Regisseur erliegt seiner Faszination für die Kirche, vermag den Zuschauer jedoch nur bedingt mitzunehmen. Viele Fragen bleiben offen: Beispielsweise wird die brisante Lage der Kirche inmitten des religiösen Pulverfasses Jerusalem nicht thematisiert. Eine Erklärung der Unterschiede zwischen den Konfessionen und ein gezielteres Nachhaken bei den Interviewpartnern wären sicher erhellend gewesen.

So verharrt Schomerus als freundlicher Beobachter an der pittoresken Oberfläche der Verhältnisse, ohne das dem Thema innewohnende Potential auszuloten.

D/CH 2010, 89 min
FSK 0
Verleih: X Verleih

Genre: Dokumentation

Regie: Hajo Schomerus

Kinostart: 25.03.10

[ Dörthe Gromes ]