D 2014, 123 min
FSK 12
Verleih: Universal
Genre: Drama, Historie, Polit
Darsteller: Alexander Fehling, André Szymanski, Gert Voss
Regie: Giulio Ricciarelli
Kinostart: 06.11.14
Ein hagerer Mann hält den genervt dreinblickenden Anwälten einen Zettel dicht unter die Nase. Ein ehemaliger KZ-Häftling will einen Aufseher aus Auschwitz wiedererkannt haben. Die grauen Herren wollen davon nichts wissen. Erst der widerborstige Journalist Gnielka spricht das Drama offen aus: „Die größte Menschheitskatastrophe gerät hier einfach in Vergessenheit.“ Einer wird hellhörig: Johann Radmann. Berufseinsteiger, Ende 20, Anwalt aus Leidenschaft, hervorragend besetzt mit Alexander Fehling. Er liest sich ein, fragt rum, was das sein soll, dieses Auschwitz. Und er stößt auf das Unvorstellbare.
Regisseur Guilio Ricciarelli spiegelt gleich zu Beginn des Films eindringlich die blickdichte Brille, die viele Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg aufgesetzt hatten. Der Krieg ist gerade 15 Jahre vorbei, doch niemand will etwas gesehen haben. Warum auch? Die Wirtschaft boomt, SS- und Parteimitglieder haben sich neue berufliche Herausforderungen gesucht, rosafarbene Petticoats sind in Mode, die Jugend tanzt zu Swing und Schlager. Radmann aber bringt Unordnung in diese Wohlfühl-Welt. Er wälzt Telefonbücher, hört Überlebende an und bringt die Ermittlungen ins Laufen. Obwohl es die Figur Radmann so nie gegeben hat, sondern mehrere Anwälte an der Sache arbeiteten, hangelt sich der Film eng an der Wirklichkeit entlang und erzählt 50 Jahre später die Geschichte der deutschen Auschwitz-Prozesse, mit denen ein Land erstmals seine eigenen Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt hat.
Im Hintergrund steht jene deutsche Heldenfigur, die in den 60er Jahren stellvertretend für eine scharfe Abrechnung mit der NS-Vergangenheit steht: Fritz Bauer. Der Generalstaatsanwalt ermutigt den jungen Radmann zu recherchieren und macht ihn zum Chef der Ermittlungen. Bauer, selbst jüdisch und schon 1933 in einem KZ interniert, emigrierte nach Skandinavien und machte sich nach Kriegsende nicht nur Freunde mit seiner Suche nach den Tätern der NS-Zeit. Er hat die Hölle in deutsche Wohnzimmer geholt. „Alle müssen sehen, was da für Verbrechen begangen wurden, von ganz normalen Menschen“, sagt er zu Radmann.
Bauers historische Brisanz aber ordnet sich im Film Radmanns Standhaftigkeit und seinem Enthusiasmus unter, die Wahrheit endlich ans Licht zu holen. Der Film ist sparsam mit grausamen Bildern und verbirgt trotzdem nichts – eine gute Mischung, das Trauma der Deutschen auf die Leinwand zu bringen.
[ Claudia Euen ]