Das sind so Sätze: „Der Opa ist sehr lieb mit mir“, sagt da einmal die Oma in die Kamera. Und: „Früher war er sehr lustig und hat gern gesungen.“ Früher? Wenig später hört man ihn doch, den Opa, wie er lustig „Wenn auf Capri die rote Sonne im Meer versinkt“ trällert. Beim Abwasch, in der Küche. Und über die Oma sagt der Opa wiederum so Sätze wie: „Die Oma ist ’ne ganz, ganz Gute und zuverlässige Partnerin.“ Oder: „Sie weiß enorm viel, an ihr ist eine Wissenschaftlerin verlorengegangen.“
IM SCHATTEN DES APFELBAUMS ist ein herzenswarmer Film. Ein Liebesfilm, der sich zum einen staunend fragt, wie das nur gehen konnte mit dieser Liebe. Also der zwischen Oma Ilse und Opa Wolfgang, die ja, verrücktes Wunder, schon 65 Jahre, also fast ein ganzes Leben lang, hält. Und denen hier zum anderen die darüber staunende Enkelin, nämlich Regisseurin Claudia Euen, ihrerseits eine filmische Liebeserklärung macht. Beides trägt dieses kleine, unprätentiöse und sehr private Dokumentarporträt, das nur dann aus seinem stillen Gleichmaß strauchelt, wenn Euen zu forciert ihre eigenen Lebens-, und das heißt im konkreten Fall ja vor allem Liebeserfahrungen, als Ratgeber-Allgemeinplätze präsentiert: „Jedes Paradies ist gleichzeitig ein Käfig“ ist dann etwa zu hören, und man sagt sich, nun gut, das sind dann halt so die Sätze der Jüngeren. Und wo Euen, stellvertretend für ihre Generation, dem Segen und Fluch jenes Wohlstandes nachsinnt, der genug Möglichkeiten für ausgiebige Selbstfindungsunternehmungen läßt, stellt sie dem Ilse und Wolfgang gegenüber, die in jungen Jahren freilich ganz andere Probleme hatten.
Denn außer Oma und Opa sind die beiden natürlich auch noch Zeitzeugen. Der Krieg, die gravierenden gesellschaftlichen Erschütterungen – all das hat auch seinen Platz in diesem Film. In dem sich aber gerade vor der Folie der historischen Umwälzungen, die ja auch davon künden, daß nichts bleibt, wie es ist, die Beständigkeit dieser Liebe umso deutlicher abzeichnet.
Aber erklärt sie sich auch daraus? Gottlob ist Euen klug genug, nicht in die Falle konservativer Beständigkeits-Sentimentalität zu tappen. Natürlich: Harte Zeiten mögen zusammenschweißen, aber das mit Ilse und Wolfgang scheint, wenn man sie so sieht und hört, eben weniger mit „den Zeiten heute und damals“ zu tun zu haben, als vielmehr eben mit Ilse und Wolfgang selbst. Und mit dieser immer und überall seltenen Gabe, fähig zum Glück und dankbar dafür zu sein.
D 2017, 60 min
Verleih: Eigenverleih
Genre: Dokumentation
Regie: Claudia Euen
Kinostart: 25.10.18
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.